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Die Figur lässt sich durch das Buch in der linken Hand und die unbekleideten Füße als Apostel und durch das in geringen Resten erhaltene Schwert in der Rechten als Paulus identifizieren. Sie zeigt eine auffällig strenge Haltung, die selbst über das hinausgeht, was sich im frühen 14. Jahrhundert als allgemeine Tendenz in Frankreich ausmachen lässt. Dieser Eindruck stellt sich jedoch weniger durch einen Mangel an Dynamik ein, sondern durch die Dominanz vertikaler Falten und das Fehlen lebendiger Unterschneidungen oder Aushöhlungen der Röhrenfalten.
Paulus trägt ein gegürtetes Gewand, darüber einen offenen Mantel, der auf der linken Seite gerade nach unten fällt, auf der anderen jedoch gerafft und unter dem Unterarm geklemmt wird. Die gesamte Figur verkörpert einen idealisierten Typus des Apostelfürsten, der Klarheit der Gedanken und Gesetztheit der Gesten ausstrahlt. Der wie zum Sprechen etwas geöffnete Mund deutet sein missionarisches Amt an.
Die Figur ist rückseitig ebenso sorgfältig ausgearbeitet wie vorne, auch wenn dort alles noch zurückhaltender gestaltet ist. Eine tiefe Nische darf deshalb als ursprünglicher Aufstellungsort ebenso ausgeschlossen werden wie eine stark architekturgebundene Platzierung in einem Portalgewände. Wahrscheinlicher ist eine Apostelreihe im Kircheninnern, in einer Kapelle oder an Langhauspfeilern – die sichtbaren Verwitterungen könnten auch nach Zerstörung des ursprünglichen Zusammenhangs entstanden sein.
Der Bildhauer des Berliner Paulus war zweifellos mit den in Paris und Nordfrankreich im zweiten Viertel des 14. Jahrhunderts verbreiteten Tendenzen zur Reduktion des höfischen Stils vertraut. Er scheint aber eine in dieser Hinsicht noch weiter gehende Richtung zu vertreten, deren genaue räumliche Zuordnung erst nach Informationen zur Herkunft des Materials möglich scheint.

(Auszug aus: Tobias Kunz, Bildwerke nördlich der Alpen. 1050 bis 1380. Kritischer Bestandskatalog der Berliner Skulpturensammlung, Petersberg, Michael Imhof Verlag 2014)

Details

  • Titel: Apostel Paulus
  • Ersteller: Unbekannt
  • Datierung: um 1330/40
  • Typ: Figur
  • Material: Kalkstein
  • Sammlung: Skulpturensammlung | Bode-Museum, Staatliche Museen zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz
  • Objekterwerb: Erworben 1984 bei Jacqueline Boccador in Paris, zuvor unbekannter Privatbesitz.
  • Inv.-Nr.: 6/84
  • ISIL-Nr.: DE-MUS-815614
  • Externer Link: Bode-Museum, Staatliche Museen zu Berlin
  • Copyright: Foto: © Skulpturensammlung | Bode-Museum, Staatliche Museen zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz / Jörg P. Anders

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