Jean-Antoine Houdon, der zu Recht als der Bildhauer der Aufklärung genannt wird, hat wie kein zweiter Künstler das Porträt des ausgehenden 18. Jahrhunderts geprägt. In zahlreichen Büsten hat er die Erscheinung und das Wesen seiner Zeitgenossen auf eindrücklichste Weise überliefert. Unter ihnen finden sich bedeutende französische Philosophen wie Voltaire (1694-1778), Denis Diderot (1713-1784) und Jean-Jacques Rousseau (1712-1778), aber auch Adlige, Künstler und Politiker gehörten zu seiner Klientel, darunter die Zarin Katharina die Große (1729-1796), der um die Unabhängigkeit kämpfende Minister Benjamin Franklin (1706-1790) sowie der erste Präsident der Vereinigten Staaten George Washington (1732-1799). Die von Houdon geschaffenen Porträts fesseln durch ihre unmittelbare Lebendigkeit, die in ihrer schonungslosen Realitätstreue den Charakter der dargestellten Persönlichkeit erfassen.
Auch in dem Porträt des deutschen Komponisten Christoph Willibald Gluck (1714-1787), der bedeutendste musikalische Neuerungen einführte und mit seiner Oper Iphigenie auf Tauris (1774) in Paris triumphierte, lässt sich diese Lebensnähe beobachten. In der Büste Glucks brach Houdon radikal mit den geschmacklichen Konventionen des Ancien Régime, in dem er die Physiognomie des Komponisten in einen ungeschönten Realismus darstellte. Houdon scheute sich nicht, selbst die pockennarbige Entstellung des Gesichtes zu zeigen. Nicht die Idealisierung, sondern die rigorose Erfassung der Wirklichkeit war das Ziel seiner Kunst. Mit zersaustem Haar und offenem Hemd stellte Houdon den Komponisten als Genie vor, dessen wacher, herausfordernder Blick den unabhängigen charakter des Dargestellten offenbart.
Von der Büste existierte eine Marmorversion, die im Juni 1776 von begeisterten Anhängern des Komponisten für das Foyer der Pariser Oper in Auftrag gegeben wurde, jedoch 1873 einem feuer zum Ofer fiel. Von dem Werk wurden mehrere Versionen in Gips und terrakotta hergestellt.