"Über Censur und Preßfreiheit"

Ein pfälzischer Politkrimi im Vormärz

Schnellpresse aus dem Jahr 1845Originalquelle: Historisches Archiv der MAN Augsburg

"Die Pressen, welche das Volk sich baut, werdet ihr nie zum Schweigen bringen" - Zitat von Johann August Wirth in "Deutsche Tribüne" (German Tribune) am 1. Januar 1832.

Druckwerkstatt im 19. Jahrhundert – eine Illustration von Jonas Greulich von Jonas GreulichHambacher Schloss

So könnte eine Druckwerkstatt im 19. Jahrhundert ausgesehen haben. Hand- und Schnellpressen ermöglichten den kostengünstigen Druck hoher Auflagen.

Eine Illustration von Jonas Greulich.

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ZeitungsstapelOriginalquelle: https://pixabay.com/photo-1853667/

Die Geschichte des geschriebenen Wortes war auch immer schon eine Geschichte der Zensur und der Vernichtung der Schriften. Oft sollten die Schriften zum Erhalt staatlicher oder kirchlicher Macht so zensiert werden, dass unliebsame Ideen keine Verbreitung finden konnten.

Das Ende des 18. und der Beginn des 19. Jahrhunderts waren stürmische Zeiten. Sie waren geprägt von den Auswirkungen der Aufklärung und der großen Revolutionen in England (1688/89), Amerika (1775-1783) und Frankreich (1789/90). In der Pfalz machte sich das besonders bemerkbar. Hier entwickelte sich im Vormärz aufgrund besonderer gesellschaftlicher und politischer Verhältnisse eine freiheitlich-liberal gesinnte Bevölkerungsgruppe. Ihr Sprachrohr war die liberale Presse. In Zeitungsartikeln und Flugschriften, in Vereinen und auf Festen setzten sie sich für die deutsche Einheit und bürgerliche Freiheiten ein.

Auf der anderen Seite standen die restaurativen Kräfte in Bund und Ländern. Sie verband eine starke Revolutionsfurcht. Der neuen Form des politischen Protestes begegneten sie mit immer strengeren Beschränkungen: mit Zensur, Versammlungsverboten und dem Verbot von politischen Vereinen.

Code Civil (1804-03-21)Originalquelle: Pfälzische Landesbibliothek Speyer

Der Code Civil (1804)

Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts war das linksrheinische Gebiet des heutigen Bundeslandes Rheinland-Pfalz immer wieder durch französische Truppen besetzt und zeitweise auch Teil des französischen Staates. Insbesondere die Pfalz wurde dadurch gesellschaftlich und politisch stark geprägt. Denn während der Besetzung und der Zugehörigkeit zu Frankreich wurden hier natürlich auch die französischen Gesetze angewandt.

1804 trat mit dem französischen Code Civil (auch Code Napoléon genannt) eines der bedeutendsten bürgerlichen Gesetzbücher der Neuzeit in Kraft. Der Code Civil führte auch in der Pfalz das Zivilrecht ein und regelte unter anderem die Abschaffung der Zünfte, die Gewerbefreiheit, die Freiheit und Unabhängigkeit der Gerichte sowie die Trennung von Kirche und Staat.

Von besonderer Bedeutung war jedoch die rechtliche Gleichstellung und Freiheit aller Bürger, was den Leitsatz der Revolution „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ juristisch umsetzte. Für die freiheitlichen Regelungen entwickelte sich in der Pfalz die Bezeichnung „Rheinische Institutionen“.

Wiener Kongress 1814/15 (1819) von Stich von Jean Godefroy nach einem Gemälde von Jean Baptiste Isabey (1767 - 1855)Originalquelle: ALBERTINA Wien

Der Wiener Kongress 1814/15

Nach der Niederlage Napoleons wurde die politische Landkarte Europas auf dem Wiener Kongress neu geordnet. Anstatt die neuen liberalen Ideen von Freiheit und Gleichheit zu integrieren, wollte der Kongress aber die Wiederherstellung der alten Verhältnisse. Gemeinsames Ziel der teilnehmenden Fürsten war die Verteidigung der restaurativen Politik gegenüber den revolutionären Ideen und liberalen Tendenzen aus Angst vor einem revolutionären Flächenbrand. Die Devise lautete: Monarchisches Prinzip statt Demokratie.

Geleitet wurde der Wiener Kongress von Klemens Wenzel Lothar von Metternich (15.5.1773 - 11.6.1859). Er gilt als einer der glühendsten Verfechter der restaurativen Politik. Auf seine Initiative gingen unter anderem die Karlsbader Beschlüsse (1819) zurück, die über Jahrzehnte hinweg alle liberalen und nationalen Tendenzen unter Strafe und Verfolgung stellte.

"Uebersichts-Karte des Königreich's Bayern nach der Eintheilung vom 29ten Novbr.1837" (1854) von Johann Baptist RoostOriginalquelle: Atlas des Königreichs Bayern: in 9 Blättern nach der neusten EIntheilung vom 29. Nov. 1837 vorzüglich zum Gebrauche bei Cammerers Königreich Bayern.

Die Pfalz wird bayerisch

Die Pfalz wurde nach der Niederlage Napoleons wieder Teil des Deutschen Bundes. Im Münchner Vertrag vom 14. April 1816 wurde festgelegt, dass sie an das Königreich Bayern angeschlossen werden sollte. Die mit dem Code Civil dort eingeführten „Rheinischen Institutionen“ wollte der König lieber unangetastet lassen, andernfalls fürchtete man offene Aufstände in der Bevölkerung.

Rechtlich wie auch geografisch erhielt die Pfalz damit den Status eines „Nebenstaates“. Der „bayerische Rheinkreis“ war eine Exklave ohne Landbrücke zum Königreich Bayern.

"Edict über die Freiheit der Presse und des Buchhandels" (1818)Originalquelle: Landesarchiv Speyer

Pressefreiheit im Königreich Baiern?

Bereits im Jahr 1808 erhielt das Königreich Bayern als eines der ersten deutschen Länder eine verfassungsrechtliche Grundlage. 1818 erließ der bayerische König Maximilian I. Joseph eine neue Verfassung, die nun umfassendere bürgerliche Freiheiten garantierte.

Das „Edict über die Freyheit der Presse und des Buchhandels" war Teil der Verfassung von 1818 und enthielt Bestimmungen über den Umgang mit der Pressefreiheit. Diese galt laut Verfassung für alle Schriften „außer politische Zeitschriften und periodische Schriften politischen oder statistischen Inhalts“, diese waren einer Vorzensur und der Kontrolle durch einen Zensor unterworfen.

KniehebelpresseHambacher Schloss

Die pfälzische Presse im Vormärz

Die Pfalz wurde durch Wahrung der „Rheinischen Institutionen“ zu einer der Hochburgen des Liberalismus innerhalb des Deutschen Bundes. Es entstand ein besonderes politisches Klima, in dem sich die freiheitlichen und liberalen Ideen immer weiter verbreiteten.

Karikatur über Pressefreiheit (1848) von UnbekanntOriginalquelle: https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/leuchtkugeln1848/0135

Innerhalb dieser Kreise kam dem Thema Presse und Pressefreiheit eine große Bedeutung zu. Die politische Presse war ein Ersatz für die direkte Teilnahme der Bürger an der Gesetzgebung oder der Regierung, was den Bürgern sonst noch nicht möglich war. Die pfälzische Presse wurde auf diese Weise zu einem Symbol für die freie Meinungsäußerung und zu einem Kanal für die liberale Opposition.

Es entstand hier eine blühende Presselandschaft. Möglich war das durch eine besondere Gesetzeslage: der Code Civil, die napoleonischen Gesetze, die Karlsbader Beschlüsse, die bayerischen Verfassungen – durch all diese Gesetzesänderungen war in der Pfalz ein heilloses juristisches Durcheinander entstanden. Die Zensurvorschriften – sofern die Beamten diese durchblickten – wurden hier außerdem eher lasch ausgelegt. Schließlich waren auch die meisten Beamten Pfälzer und den neuen liberalen Ideen oft sehr zugetan.

Das Lesekabinett (1843) von Johann Peter HasencleverAlte Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin

Solche Lesekabinette, Treffpunkt des gebildeten Bürgertums und Sinnbild für die sogenannte „Leserevolution” des 19. Jahrhunderts, entstanden während des Vormärz überall in den deutschen Gebieten.

Der Erfolg der Presse lag auch an der zunehmenden Alphabetisierung der Bevölkerung. Die Lese- und Bildungsrevolution ergriff auch untere Schichten. Lesegesellschaften und Leihbibliotheken erleichterten den Zugang. Erstmals in der deutschen Geschichte begannen sich große Teile der Bevölkerung mit Themen wie politisches Mitspracherecht, Gesellschaft und Staatswesen auseinanderzusetzen. Diese Entwicklung und die politische Emanzipation konnten auch durch die anhaltende Zensur nicht mehr aufgehalten oder unterdrückt werden.

His France 1830 RevolutionLIFE Photo Collection

Die Revolution 1830

Einer der Höhepunkte im politischen Klima des Vormärz war das Jahr 1830. Auch die Julirevolution 1830 besaß (wie schon 1789), ausgehend von Frankreich, großen Einfluss auf ganz Europa. Liberale Kräfte forderten jetzt offen ein Ende der restaurativen Politik.

Karikatur "Die 'gute' Presse" (1847) von UnbekanntHambacher Schloss

Die Regierung konnte mit den Forderungen der Liberalen schlicht nicht umgehen, die Form des sozialen und politischen Protestes war für sie neu. Sie reagierte mit einer streng antirevolutionären Politik der Unterdrückung und einer restaurativen Gegenbewegung. Dazu gehörte auch eine unnachgiebige Zensurpolitik. Mit der Durchsetzung der strengen Regelungen stieg der Druck auf die oppositionelle Presse in der Pfalz. Bis zum vorläufigen Höhepunkt der pfälzischen liberalen Pressebewegung 1832 gelang es den Publizisten noch, diesem Druck standzuhalten.

Hambacher Tuch (1832) von Heim & Sohn, St. GallenHambacher Schloss

Die Publizisten

Die liberale und demokratische Bewegung in der Pfalz zog immer weitere Kreise. Dies war vor allem den Publizisten zu verdanken, die diese Ideen in ihren Zeitungen, Artikeln und Schriften verbreiteten.

Viele davon gehörten auch 1832 zu den Organisatoren und Rednern auf dem Hambacher Fest.

Johann Georg August Wirth (1838)Originalquelle: Theodor-Zink-Museum | Wadgasserhof Kaiserslautern

Einer der bekanntesten pfälzischen Publizisten der Vormärzzeit war Johann Georg August Wirth (20.11.1798 -26.7.1848). Er war Herausgeber der einflussreichen Zeitung „Deutsche Tribüne“.

Wirth stammte ursprünglich aus Halle (Saale). Er war Jurist und gab zunächst in München verschiedene Blätter heraus. Nach Konflikten mit den dortigen Zensurbehörden zog es ihn mit seiner Zeitung „Deutsche Tribüne“ ab Herbst 1831 in den liberalen Südwesten. Auch hier galt offiziell eine Vorzensur für periodische und politische Schriften und auch hier geriet Wirth mit seinen Artikeln in Konflikt mit den Behörden.

Doch im Gegensatz zu den Behörden in „Altbayern“ gingen die Zensoren in der Pfalz schlicht nicht in letzter Konsequenz gegen die Schriften der Liberalen vor. Eine Versiegelung seiner Druckerpressen umging Wirth mit einem Wechsel der Druckerei. Beschlagnahmungen durch die Post verhinderte er durch den Aufbau eines eigenen Botensystems.

Ab März 1832 setzten die pfälzischen Behörden aufgrund des vermehrten außen- und innenpolitischen Drucks die Bestimmungen zur Zensur sehr strikt um. In den Räumen von Wirths Druckerei in Homburg kam es zu einem Tumult, als sich Wirth zusammen mit einigen seiner Mitarbeiter vor der Polizei verbarrikadierte. Schließlich wurde die „Deutsche Tribüne” ganz verboten. Eine strafrechtliche Verfolgung von Wirth und seinen Mitstreitern blieb jedoch aus, sodass diese zwar ihres Mediums beraubt, aber nicht endgültig verstummt waren.

Im Mai 1832 nahm Wirth als einer der Hauptorganisatoren am Hambacher Fest teil. Im Anschluss gab er die offizielle Festbeschreibung heraus, in der ein Großteil der Reden auf dem Hambacher Fest abgedruckt wurden: „Das Nationalfest der Deutschen zu Hambach“.

Im Anschluss an das Fest wurde Wirth wegen Aufforderung „zum Umsturze, zur Aenderung der Staatsregierung, der Thronfolgeordnung und zur Bewaffnung der Bürger und Einwohner gegen die Staatsgewalt“ angeklagt. Von den Geschworenen zunächst freigesprochen, wurde eine neue Anklage konstruiert, die zu einer zweijährigen Haftstrafe führte. Nach der Entlassung ging Wirth bis 1847 ins Ausland und starb schließlich 1848 in Frankfurt a.M.

"Deutsche Tribüne" (1831) von Johann Georg August WirthOriginalquelle: Pfälzische Landesbibliothek Speyer

Die „Deutsche Tribüne“ erschien vom 1. Juli 1831 bis zum 21. März 1832. Sie zählt zu den bedeutendsten oppositionellen Zeitungen des Vormärz.

Dieses Titelbild der "Deutschen Tribüne" vom 17. Juli 1831 zeigt das Ausmaß der Einflussnahme der Zensoren. Nur wenige Zeilen des Artikels entgingen der Zensur. So wirkt die Titelseite schon fast satirisch und auch den zeitgenössischen Lesern gaben die großen Zensurlücken unmissverständliche Hinweise auf eine unterdrückte Presse. So erreichten die Streichungen eher das Gegenteil.

Dr. Philipp Jakob SiebenpfeifferOriginalquelle: Siebenpfeiffer-Stiftung, Homburg / Saarpfalz

Neben Wirth gehörte auch Philipp Jakob Siebenpfeiffer (12.11.1798 - 14.5.1845) zu den einflussreichsten pfälzischen Publizisten im Vormärz.

Gebürtig stammte Siebenpfeiffer aus dem Schwarzwand, wurde dann aber 1818 Landkommissär in Homburg (Pfalz). Damit war er als oberster Beamter des Landkreises auch für die Zensur zuständig.

Bereits kurze Zeit nach seinem Dienstantritt trat seine private publizistische Tätigkeit in Konflikt mit seinen Verwaltungsaufgaben. In seiner Zeitschrift „Rheinbayern“ setzte sich Siebenpfeiffer für eine politische Beteiligung des Bürgertums ein. Zu Beginn der 1830er Jahre veröffentlichte er weitere Schriften wie etwa „Freie Wahl und freie Presse in Bayern“ sowie „Der Bote aus dem Westen“ (ab 1832 „Westbote“), worin er sich explizit an die breite Bevölkerung wandte und etwa für nationale Einheit, eine starke Verfassung sowie Freiheit und Selbstständigkeit der Bevölkerung eintrat.

Ebenso wie Wirth geriet Siebenpfeiffer mit solchen Veröffentlichungen schnell ins Visier der Behörden und lieferte sich mit diesen ein regelrechtes Katz-und-Maus-Spiel. Als Landkommissär wurde er zwangspensioniert, seine Pressen wurden versiegelt und er wechselte mehrmals den Druckort.

Nach seiner Teilnahme am Hambacher Fest (1832) wurde Siebenpfeiffer verhaftet und wegen Aufreizung zum Aufruhr angeklagt. Wie Wirth wurde auch er vom Geschworenengericht in Landau freigesprochen, aber anschließend von einer anderen Kammer wegen Majestätsbeleidigung zu zwei Jahren Haft verurteilt. Anders als Wirth trat Siebenpfeiffer diese Haft jedoch nicht an und floh im November 1833 in die Schweiz, wo er bis zu seinem Tod lebte.

"Der Bote aus dem Westen" (1831-03-12)Originalquelle: Pfälzische Landesbibliothek Speyer

Zusammen mit der "Deutschen Tribüne" wurde der "Westbote" im März 1832 verboten, woraufhin die Zeitung kurz darauf das Erscheinen einstellen musste.

Georg und Barbara Ritter (1850) von Karl HofmannOriginalquelle: Stadtmuseum Zweibrücken

Der Buchdrucker Georg Ritter stammte aus Zweibrücken und wurde dort 1795 geboren. 1819 heiratete Ritter die Witwe seines verstorbenen Ausbilders und übernahm dessen Druckerei.

Ritter machte sich in den folgenden Jahren einen Namen als Drucker – seine Druckerei wurde eine der besten in den deutschen Gebieten und war bekannt für qualitativ hochwertige Produkte. Ritter hatte Kontakt zur liberalen Bewegung und druckte deren oppositionelle Schriften - auch diejenigen, die offiziell verboten worden waren.

Bis zu seinem Tod 1854 blieb er politisch aktiv und beteiligte sich an dem Druck und der Verbreitung oppositioneller Schriften. Die Druckerei von Georg Ritter war immer wieder Zufluchtsort liberaler Publizisten, die aufgrund von Verfolgung oder der Versiegelung der eigenen Pressen hier ihre Zeitungen drucken konnten.

Friedrich SchülerHambacher Schloss

Friedrich Schüler wurde am 19. August 1791 in Bergzabern geboren. Am Gericht in Zweibrücken war er nach seiner Ausbildung als Jurist tätig und knüpfte dort Kontakte mit anderen pfälzischen Liberalen, vertrat etwa Philipp Jakob Siebenpfeiffer in einem Presseverfahren als Anwalt.

Bei den Wahlen zur Ständeversammlung im Jahr 1830 wurde Friedrich Schüler als Abgeordneter gewählt und zeichnete sich im bayerischen Landtag als Führer der Opposition aus. Bei seiner Rückkehr in die Pfalz fand im Januar 1832 ihm zu Ehren das Schüler-Fest statt.

Im Zuge dieses Schüler-Festes kam es zur Gründung des „Deutschen Vaterlandsvereins zur Unterstützung der Freien Presse“ (kurz: Preßverein), dessen Zentralkomitee auch Schüler angehörte.

Nach dem Hambacher Fest (1832) floh Schüler ins Ausland, kehrte aber während der Revolution 1848/49 zurück und war Abgeordneter im Paulskirchenparlament. Nach dem Scheitern der Revolution und der Versammlung floh er erneut und starb 1873 in Metz.

Flugblatt "Deutschlands Pflichten" von Johann Georg August WirthOriginalquelle: Landesarchiv Speyer

Der Preßverein

Während des Schüler-Festes wurde der „Deutsche Vaterlandsverein zur Unterstützung der Freien Presse“ (kurz: Preßverein) gegründet. Die Aufgabe des Vereins war die finanzielle Unterstützung der durch Beschlagnahmungen und Zensur bedrohten Publizisten, indem mit den Vereinsbeiträgen garantierte Abnahmen der Zeitungen finanziert wurden. Das Zentralkomitee des Vereins bestand aus Friedrich Schüler, Joseph Savoye und Ferdinand Geib.

In der „Deutschen Tribüne” vom 3. Februar 1832 rief Wirth in dem Artikel „Deutschlands Pflichten“ zum Beitritt in den Preßverein auf.
Als „Mittel zur Wiedervereinigung Deutschlands im Geiste" diente laut Wirth "einzig und allein die Freie Presse [...]”.

Subskriptionslisten für den Preßverein mit beiliegenden Listen (1832)Originalquelle: Landesarchiv Speyer

Innerhalb weniger Wochen erreichte man einen riesigen Bekanntheitsgrad. Der Preßverein gewann in kürzester Zeit (von Januar bis September 1832) über 5.000 Mitglieder, etwa die Hälfte davon stammte aus der Pfalz. Die großen Zuwachszahlen waren unter anderem der schnellen Verbreitung durch Buchhändler, Lesegesellschaften und Burschenschaften geschuldet. Außerdem wurden die Beitrittslisten in Wirtshäusern ausgelegt und in der „Deutschen Tribüne“ veröffentlicht.

Schnellpresse aus dem Jahr 1845Originalquelle: Historisches Archiv der MAN Augsburg

Finanziert durch eine Aktiengesellschaft erwarb Wirth 1832 eine solche Schnellpresse zum Druck der "Deutschen Tribüne". Zu dieser Zeit war die politische Publizistik in der Pfalz klar auf ihrem Höhepunkt. Deren führende Organe, der „Westbote“ und die „Deutschen Tribüne“, führten den Kampf um die Pressefreiheit inzwischen heftiger denn je.

Karikatur über Zensur (1848) von UnbekanntOriginalquelle: https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/leuchtkugeln1848/0064

Die Gegenmaßnahmen der Regierung

Dieser Hochphase der pfälzischen liberalen Publizistik musste die bayerische Regierung etwas entgegensetzen. Die zahlreichen Zensurlücken in den Zeitungen waren ein Beweis für das harte Durchgreifen der Zensoren. Bald konnte selbst der Preßverein kaum mehr etwas für die Blätter tun. Am 1.3.1832 verbot die bayerische Regierung die "Deutsche Tribüne" und den "Westboten", viele andere Zeitungen wurden im großen Stil beschlagnahmt. Auch gegen den Preßverein wurde ein Verbot ausgesprochen.

Allegorisches TaschentuchOriginalquelle: Stadtmuseum Bad Dürkheim

Die umfassenden Verbote und Beschlagnahmungen der periodischen Schriften machten diese für die Verbreitung der liberalen Ideen wirkungslos. Nun gewann eine neue Publikationsform zunehmend an Bedeutung: die Flugschriften.

Die Flugschriften wurden teilweise kostenlos verteilt und erreichten Auflagen von bis zu 600.000 Exemplaren. Inhaltlich befassten sie sich etwa mit der Teuerung der Lebensmittel, dem Zoll- und Abgabensystem und den politischen Forderungen des Vormärz: Freiheit, Gleichheit, Pressefreiheit.

Da ihre Verfasser keine Angst vor Streichungen durch die Zensur haben mussten (diese galt nur für periodisch erscheinende Schriften), war der Ton der Flugschriften meist radikaler, als dies zuvor in der Presse der Fall gewesen war.

Ab April 1832 begann die Regierung jedoch auch gegen diese Veröffentlichungen vorzugehen. Im Juli 1832 wurden die letzten rechtlichen Lücken geschlossen und auch die Flugschriften boten keine Möglichkeit der freien Meinungsäußerung mehr.

Wieder mussten sich die pfälzischen Liberalen ein neues Forum der politischen Öffentlichkeit suchen. Hierzu entwickelte sich nun die öffentliche Festkultur. Das berühmteste politische Fest des Vormärz fand am 27. Mai 1832 in Neustadt an der Weinstraße (damals: Neustadt an der Hardt) statt: das Hambacher Fest. Die Forderung nach Pressefreiheit war eine der zentralen Forderungen der Redner und Teilnehmer.

Das "Schwarze Buch" (1838)Originalquelle: Original: Bundesarchiv, Außenstelle Berlin

Die Unterdrückung der liberalen Kräfte nach dem Hambacher Fest

Die große Revolutionsfurcht der deutschen Fürsten fand auch in der (polizeilichen) Überwachung der liberalen Kräfte ihren Ausdruck. Nach der Julirevolution 1830 wurde die bereits vorhandene Überwachung verdächtiger Publizisten und Blätter sukzessive ausgeweitet. 1832 wurden neue Gesetze erlassen: politische Vereine, außerordentliche Versammlungen und Volksfeste wurden verboten, außerdem öffentliche Reden mit politischem Inhalt.

Die „Frankfurter Bundeszentralbehörde“, die mit dem Charakter einer Justizbehörde 1833 gegründet worden war, besaß die Aufgabe, Informationen über revolutionäre Umtriebe sowie deren Ursprünge und Verzweigungen aufzudecken. Der bedeutendste Bericht findet sich im 1838 veröffentlichten „Schwarzen Buch“, einem „Alphabetische(n) Verzeichnis derjenigen Personen, gegen welche nach Akten der Bundeszentralbehörde bezüglich revolutionärer Umtriebe im Untersuchungswege eingeschritten worden ist“. Es handelte sich also um eine Liste aller unter Beobachtung stehenden Personen - inklusive persönlicher Daten und Verdächtigungen.

Damit war das „Schwarze Buch“ der erste professionelle Bericht zur Personenkontrolle des Vormärz. Enthalten waren 1.867 verdächtige Personen. Die Liste enthielt 187 Männer aus der Pfalz, darunter natürlich Personen wie Wirth, Siebenpfeiffer, Kolb, Ritter und viele mehr.

Doch wie ging es mit der Pressefreiheit nach dem Vormärz weiter?

Die Grundrechte des deutschen Volkes (1848) von Schroedter, Adolf; Jügel, Carl; Lithographische Anstalt von J. LehnhardtOriginalquelle: Historisches Museum Frankfurt

Revolution 1848/49

Die Unterdrückungsmaßnahmen der 1830er Jahre konnten die gesellschaftspolitischen Entwicklungen nicht mehr aufhalten. Eine freie Presse blieb der Wunsch und das Ziel der liberalen Kräfte.

Freie Meinungsäußerung (Rede- und Pressefreiheit) war schließlich auch in der Revolution 1848/49 Teil der Forderungen im Grundrechtskatalog.

Ab Mai 1848 tagte in der Frankfurter Paulskirche das erste gesamtdeutsche und frei gewählte Parlament, um über eine freiheitliche Verfassung und die Bildung eines deutschen Nationalstaates zu beraten. Im Dezember verabschiedete das Paulskirchenparlament diesen Grundrechtskatalog. Darin waren bereits fast alle Freiheitsgarantien festgeschrieben, die heute den unveränderlichen Teil unseres Grundgesetzes bilden: Gleichheit vor dem Gesetz, Presse-, Meinungs-, Versammlungs- und Glaubensfreiheit, Unverletzlichkeit der Person und des Eigentums sowie der Schutz vor staatlicher Willkür sollten gewährleistet werden.

Artikel 4 lautete: „Jeder Deutsche hat das Recht, durch Wort, Schrift, Druck und bildliche Darstellung seine Meinung frei zu äußern. Die Pressefreiheit darf unter keinen Umständen und in keiner Weise durch vorbeugende Maßregeln, namentlich Censur, Concession, Sicherheitsbestellungen, Staats-Auflagen, Beschränkungen der Druckereien oder des Buchhandels, Postverbote oder andere Hemmungen des freien Verkehrs beschränkt werden.“

Doch das Paulskirchenparlament scheiterte, ebenso die Reichsverfassungskampagne 1849. Die zuvor gewährten Grundrechte wurden im Zuge der Gegenrevolution größtenteils zurückgenommen.

Plakat zum Verbot der SPD-Zeitung "Vorwärts" (1914-09)Originalquelle: Bundesarchiv

Deutsches Kaiserreich (1871 - 1918)

Bis zu einem allgemein gültigen Pressegesetz vergingen weitere Jahre. Erst am 7. Mai 1874 wurde im inzwischen geeinten Deutschen Reich das erste Reichspressegesetz veröffentlicht. Das Gesetz war durchaus liberal, doch enthielt die Reichsverfassung des Kaiserreiches keine festgeschriebenen Grundrechte. Die Gesetze konnten daher sehr unterschiedlich interpretiert und leicht umgangen werden. Das Sozialistengesetz aus dem Jahr 1878 (Verbot aller sozialistischen und sozialdemokratischen Organisationen) setzte das Reichspressegesetz wieder außer Kraft.

Verordnung (1923-09)Originalquelle: Bundesarchiv

Weimarer Republik (1919 - 1933)

Die Verfassung der Weimarer Republik gewährte schließlich kurzzeitig die volle Pressefreiheit. Die innenpolitischen Krisen führten jedoch schnell zu einer Aushöhlung der Regelungen.

Propagandaplakat der nationalsozialistischen Zeitung "Der Angriff" (1919/1933)Originalquelle: Bundesarchiv

NS-Diktatur

Die Nationalsozialisten sahen die Aufgabe der Presse darin, im Sinne ihrer weltanschaulichen Linie zu wirken. Die „Verordnung zum Schutz von Volk und Staat“ vom 28. Februar 1933 setzte die Grundrechte der Verfassung außer Kraft. Beschränkungen der Presse- und Meinungsfreiheit konnten jetzt ohne nähere Begründung erfolgen.
Nur etwa ein Viertel der vor der Machtergreifung erschienenen Zeitungen überlebte die Säuberungsaktionen in den ersten Monaten nach der Machtergreifung.

Die Unterzeichnung des Grundgesetzes (1949-05-23)Originalquelle: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Bundesrepublik Deutschland

Am 8. Mai 1949 verabschiedete der Parlamentarische Rat das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Es ist bis heute gültig. Die Artikel 1 bis 19 enthalten die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger. Neben dem wohl bekanntesten ersten Artikel („Die Würde des Menschen ist unantastbar“) enthält Artikel 5 folgende Bestimmung:

"Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt."

In der sogenannten „Ewigkeitsklausel“ wird im deutschen Grundgesetz sichergestellt, dass die Grundrechte unantastbar bleiben. Selbst eine Verfassungsänderung kann sie nicht außer Kraft setzen.

ZeitungsstapelOriginalquelle: https://pixabay.com/photo-3488857/

Heute ist die Presse- und Meinungsfreiheit Grundlage für die Arbeit der Journalisten. Doch trotz der Festlegung im Grundgesetz kommt es auch in Deutschland immer wieder zu Versuchen, journalistische Arbeit zu erschweren. Vor allem die Konzentration von Zeitungen, Radio, Fernsehen und neuen Medien in nur wenigen Unternehmen in Europa stellt heute eine Bedrohung der Pressefreiheit dar. Und in vielen anderen Ländern ist eine freie Meinungsäußerung in der Presse sehr schwierig oder nur unter starken Gefahren möglich.

Äußerungen über „Fake News“, „postfaktische Wahrheiten“ oder auch „Social Bots“ stellen die freie und unabhängige Berichterstattung vor neue Herausforderungen. Umso wichtiger sind der Erhalt und die Förderung der Pressefreiheit und der freien Presse als Forum einer pluralistischen Meinungsbildung.

Mitwirkende: Geschichte

Unser besonderer Dank geht an alle Firmen, Institutionen und Personen, die Bilder oder Material zur Verfügung gestellt haben.


Wir haben uns bemüht, zu allen Abbildungen die Abdruckgenehmigung einzuholen. Sollten weitere Ansprüche bestehen, möge man sich bei uns melden.

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Kuratorin:
Sarah Traub, Institut für Geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz e.V. (IGL)

Quelle: Alle Medien
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