Von "UNESCO-Welterbe Fagus-Werk"
UNESCO-Welterbe Fagus-Werk
MUT - Die Provinz und das Bauhaus
Avantgarde wird üblicherweise als ein Phänomen der Großstadt begriffen. Das mag auf die Protagonisten durchaus zutreffen, die Architekten, Künstler und Designer. Sie schöpfen ihre Ideen in der anregenden, hitzigen und dynamischen Atmosphäre des Urbanen. Doch eine Idee allein vermag die Welt noch nicht zu ändern. Sie braucht die Ausführung, die Umsetzung, den Versuch im Praktischen. Hier ist es nur allzu oft die Provinz, die den Nährboden liefert. Es sind die Menschen dort, die möglich machen, was in der Großstadt nur gedacht werden kann. Die Region Südniedersachsen zwischen Weser und Harz ist eine solche Provinz, in der sich mithilfe von Kreativität und Mut Ideen umsetzen lassen. Nur so ist es möglich, dass Walter Gropius seinen ersten Industriebau in Alfeld / Leine verwirklichen konnte: das UNESCO-WELTERBE FAGUS-WERK. Das war der Beginn der architektonischen Moderne, ohne den es die Gründung des Bauhauses in Weimar 1919 wohl nie gegeben hätte. Nötig war dafür der Mut des Werkgründers Carl Benscheidt. Die Spuren des Bauhauses in Südniedersachsen führen neben dem Fagus-Werk auch zu TECTA, einem Hersteller von Möbeln im Bauhaus-Design in Lauenförde, zur Porzellan Manufaktur Fürstenberg, wo Wilhelm Wagenfeld das berühmte Servicemodell 639 schuf, und zum PS Speicher in Einbeck, wo man unter anderem entdecken kann, wie sich Walter Gropius in der Automobilbranche kreativ eingesetzt hat.
UNESCO-Welterbe Fagus-Werk
Das Fagus-Werk wurde im Jahr 2011 vom UNESCO-Welterbekomitee als Weltkulturerbe ernannt.
Historische Dokumente Fagus-Werk (2019) von Fabienne GohresUNESCO-Welterbe Fagus-Werk
Bereits im Jahr 1911 beginnt mit dem Bau des Fagus-Werkes durch den Unternehmer Carl Benscheidt der erste Schritt in die Bauhaus-Architektur. Mit seinem Erstlingswerk legt der Architekt und spätere Bauhausgründer Walter Gropius den Grundstein der Moderne.
Mutig entscheidet Carl Benscheidt, dass der damals noch völlig unbekannte Architekt Walter Gropius die herausragende Vision seiner Fabrik im Jahr 1911 realisieren soll. Dabei übernimmt Benscheidt die Verantwortung für die funktionalistische Anordnung der Gebäudeteile für einen optimalen Produktionsablauf und Gropius verantwortet die Gestaltung. So entsteht eine Fabrik, die von vielen Kennern der Architektur als ein Gesamtkunstwerk bezeichnet wird.
Bauhaus-Stuhl
In vielen Bereichen im Fagus-Werk wird das Wirken durch Künstler des Bauhauses auch nach der Bauphase weiterhin sichtbar. So wird die Funktionalität bei technischen Geräten für die Schuhleisten-Produktion optimiert. Bauhaus-Künstler gestalten den Innenausbau der Büros, die Beschriftungen der Türen, die Geschäfts-Briefbögen und Visitenkarten, das Firmenlogo sowie die Platzierung der Schriftzüge im Außenbereich am Fabrikgebäude. In den Bauhaus-Werkstätten wird Mobiliar für Fagus, für den privaten Wohnbereich des Firmengründers sowie Werkswohnungen gestaltet und gefertigt.
Firmenlogo Fagus (2019) von Nadine GebauerUNESCO-Welterbe Fagus-Werk
Bauhaus-Künstler entwerfen das Fagus-Logo.
Werbeanzeigen Fagus (2019) von Nadine GebauerUNESCO-Welterbe Fagus-Werk
Werbeanzeigen für Fagus, die von Johannes Molzahn gestaltet worden sind.
Exponat Fürstenberg Porzellan Manufaktur (2019) von Fabienne GohresUNESCO-Welterbe Fagus-Werk
Porzellan ist das ideale Material für Geschirr: klar im Ausdruck, hygienisch, edel. So verwundert es nicht, dass sich auch die Designer der Funktionalismus wie Wilhelm Wagenfeld (1900 - 1990) mit dem Tafelgerät beschäftigen.
Selbst am Bauhaus ausgebildet, vertrat Wagenfeld Zeit seines Lebens die Maxime, dass seriell produzierte Gebrauchsgüter eine prominente Entwurfsaufgabe darstellten. 1934 schuf er für FÜRSTENBERG das ikonische Servicemodell 639.
Sanft fließende Konturen und funktional ausgestaltete Details wie griffige Deckelknäufe und großzügige Henkel zeichnen es aus. Bis heute gehört es zum Sortiment der zweitältesten noch existierenden Porzellanmanufaktur in Deutschland.
Serviceform 639 (2019) von Nadine GebauerUNESCO-Welterbe Fagus-Werk
Kaffeekanne mit eisenroter Staffage, Käseglocke und Leuchter mit Elfenbeinglasur,; Teegedeck in Seladonmasse, Tasse und Becher mit eisenrotem Stahlrohrdekor; Wilhelm Wagenfeld Entwurf 1934
Entwurf des Adler-Firmenlogos
Walter Gropius erhält den Auftrag der Adlerwerke in Frankfurt am Main, die Fahrzeuge Standard 6 und 8 zu veredeln und das Marketing an die Moderne anzupassen. Wirtschaftlich rentiert sich das Zusammenspiel nicht. Werbetechnisch ist die Kooperation jedoch ein voller Erfolg. Das Design der Fahrzeuge mit den Sechs- und Achtzylinder-Reihenmotoren, den breiten Trittbrettern und die großen Scheinwerfern der Marke Carl Zeiss sorgen für Aufsehen. Die Marke Adler wird weltbekannt. Das Firmenlogo wird von Walter Gropius ebenfalls neugestaltet. Ab 1932 ziert der martialische Adler alle Fahrzeuge, Plakate, Broschüren und den Briefkopf des Unternehmens. Im ehemaligen Einbecker Kornspeicher - dem heutigen PS Speicher - finden Sie mehr als ein Museum. Es werden nicht nur über 400 Fahrzeuge auf zwei, drei und vier Rädern gezeigt, sondern den Objekten wird in einer Erlebnisausstellung wieder Leben eingehaucht. Dort wird auch der hier gezeigte Adler beherbergt.
Kühler mit Adler-Logo von Fabienne GohresUNESCO-Welterbe Fagus-Werk
Exponat Tecta (2019) von Fabienne GohresUNESCO-Welterbe Fagus-Werk
Marcel Breuer (1902 - 1981) hatte während seiner Zeit am Bauhaus jene Typologie von Stahlrohrmöbeln entwickelt, die zum Inbegriff eines neuen, sachlichen und funktionalen Wohnens werden sollten.