Von "Kunstsammlungen der Stadt Nürnberg, Museen der Stadt Nürnberg"
Museen der Stadt Nürnberg
Über 20 Jahre lang war der Nürnberger Künstler und Verleger Johann Andreas Graff (1636-1701) mit der Naturforscherin Maria Sibylla Merian verheiratet. Im Gegensatz zu seiner berühmten Frau sind Graff und seine Werke heute jedoch weitestgehend in Vergessenheit geraten. Mit dieser Ausstellung soll sein Schaffen wieder für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Gezeigt werden künstlerisch hochwertige Nürnberger Stadtansichten, die neben ihrer beeindruckenden Ästhetik vor allem durch ihre Päszision und Detailverliebtheit bestechen. Darüber hinaus vermitteln die Arbeiten einen hervorragenden Eindruck vom Leben im Nürnberg des ausgehenden 17. Jahrhunderts.
Stadtplan der Stadt Nürnberg aus dem Jahr 1648 (1648) von Matthäus MerianKunstsammlungen der Stadt Nürnberg, Museen der Stadt Nürnberg
Ansicht der Stadt Nürnberg in der Mitte des 17. Jahrhunderts.
38 Museumsbrücke
Museumsbrücke über der Pegnitz nach Osten mit Heilig-Geist-Spital (1700) von Johann Andreas GraffKunstsammlungen der Stadt Nürnberg, Museen der Stadt Nürnberg
Im Jahr der Fertigstellung der neuen steinernen Brücke legte Graff diesen Stich vor. Beherrscht wird die Ansicht von dem Krankenbau des Heilig-Geist-Spitals, der in 2 Schwibbögen den Fluss teilweise überspannt (erbaut von Hans Beheim d. A. von 1511 bis 1527).
Die barocke Museumsbrücke huldigt in ihren Wappenpodesten sowohl dem Kaiser und dem Reich als auch dem patrizischen Stadtregiment.
Museumsbrücke über der Pegnitz nach Westen mit Viatishaus und Fleischbrücke (1700) von Johann Andreas GraffKunstsammlungen der Stadt Nürnberg, Museen der Stadt Nürnberg
Der Blick geht über die barocke Museumsbrücke und fällt links auf den das Bild beherrschenden Bau des Viatishauses. Graff zeigt die prächtige Fassade dieses Handelshauses mit Szenen aus der griechischen und römischen Geschichte in Freskomalerei und mit zahlreichen Dacherkern.
Die den Hintergrund füllende Fleischbrücke wurde nach den sich dort befindlichen Fleischbänken benannt. Nach dem Vorbild der Rialtobrücke in Venedig überspannt sie heute noch die Pegnitz in einem Bogen. Dass sie zudem noch befahrbar war, galt im damaligen Europa als singuläre technische Leistung. Erbaut wurde sie von Jacob Wolff d. Ä. in den Jahren von 1596 bis 1598.
Auf einer Fotografie, die Ferdinand Schmidt Ende 19. Jahrhunderts erstellte, ist das Viatishaus noch zusehen. Im 2. Weltkrieg wurde das Gebäude komplett zerstört.
Statt des Viatishauses prägen heute Nachkriegsbauten das Bild der Museumsbrücke.
Stadtplan der Stadt Nürnberg aus dem Jahr 1648 (1648) von Matthäus MerianKunstsammlungen der Stadt Nürnberg, Museen der Stadt Nürnberg
8 Barfüßerkirche
Innenraum der abgebrannten Barfüßerkirche nach Westen während des Wiederaufbaus 1681 (1681) von Johann Andreas GraffKunstsammlungen der Stadt Nürnberg, Museen der Stadt Nürnberg
Der von Graff nach eigenem Entwurf gefertigte Kupferstich zeigt auf virtuose Weise die Baustelle am Beginn des Wiederaufbaus der Barfüßerkirche 1681, also erst zehn Jahre nach der Zerstörung durch einen verheerenden Brand. Auf dem Stich ist der Schutt herabgefallener Bauteile noch nicht entfernt.
Vögel haben sich in der verlassenen Ruine auf der westlichen Giebelwand eingenistet. Das Gerüst mit allen seinen komplizierten Verstrebungen und Verknotungen ist fertig, und die Bauarbeiter ziehen über ein Fass als Rolle das Baumaterial in die Höhe.
Innenraum der Barfüßerkirche nach Osten nach der Fertigstellung 1689 (1693) von Johann Andreas GraffKunstsammlungen der Stadt Nürnberg, Museen der Stadt Nürnberg
Der Blick erfasst das im Barockstil neu gestaltete Mittelschiff bis hin zu dem vom Brand verschonten gotischen Chor mit ebenfalls neuen barocken Elementen (Baumeister Johann Trost bis 1689). Ein Teilabriss nach 1800 schuf Platz für das berühmte Bestelmeyersche Magazin. ln ihm wurde ein breitgefächertes Warenangebot und zwar erstmalig mit bebildertem Versandkatalog offeriert.
1913 erfolgte der fast völlige Totalabbruch für ein Bankgebäude. Die reiche Barockausstattung der Kirche – allein ein Dutzend Altäre – ist verloren gegangen.
Stadtplan der Stadt Nürnberg aus dem Jahr 1648 (1648) von Matthäus MerianKunstsammlungen der Stadt Nürnberg, Museen der Stadt Nürnberg
10 Lorenzkirche
Innenraum der Lorenzkirche nach Osten (1685) von Johann Andreas GraffKunstsammlungen der Stadt Nürnberg, Museen der Stadt Nürnberg
Graff gelingt es durch sein intensives Studium der Perspektive auf seiner ersten Ansicht eines Kirchenschiffs dem Betrachten die Tiefe des Innenraumes vom westlichen Bereich im Vordergrund bis in den östlichen Hallenchor vor Augen zu führen.
Bemerkenswert ist, dass der sog. Engelsgruß, ein monumentales Schnitzwerk in Rosenkranzform von Veit Stoß (vollendet 1518) von einem Sack verhüllt in der Kirche hing. Graff gibt uns mit diesem Blatt eine Vorstellung von diesem Zustand des verdeckten Kunstwerkes. Tradition und besitzerhaltende Einstellung der Patrizierfamilien machten es möglich, dass der Engelsgruß mit seiner eindeutig marianischen Aussage über die Reformation hinaus erhalten blieb und von der Familie Tucher gepflegt und gewartet wurde. Es wurde zwar nicht mehr, wie vor der Reformation gewandelt, d.h. zu den hohen Marienfesten offen, ohne den sackförmigen Umhang, gezeigt, aber für hochrangige Besuche wurde das Werk zur Präsentation enthüllt.
Das Kunstwerk feierte 2018 seinen 500. Geburtstag. Der Nürnberger "Engelsgruß" wurde deshalb in der Lorenzkirche aus der Höhe heruntergelassen und Besucher konnten ihn aus der Nähe betrachten.
Stadtplan der Stadt Nürnberg aus dem Jahr 1648 (1648) von Matthäus MerianKunstsammlungen der Stadt Nürnberg, Museen der Stadt Nürnberg
14 Städtischer Bauhof
Städtischer Bauhof (früher Peunt) (1701) von Johann Andreas GraffKunstsammlungen der Stadt Nürnberg, Museen der Stadt Nürnberg
Der als Baumeisterhaus 1615 von Jakob Wolff d. J. errichtete wohl proportionierte Renaissancebau beherbergt auch heute noch die städtische Bauverwaltung. Vom Kriege verschont weisen die Räume teilweise bedeutende Stuckdecken auf. Erwähnenswert ist diejenige von Carlo Moretti Brentano aus dem Jahr 1661.
Der weite Platz dient nicht mehr der Lagerung von Baumaterialien, sondern ist heute ein viel benutzter Parkplatz. Die den Platz umgebende Bebauung mit niedrigen Fachwerkhäusern musste inzwischen durchwegs mehrstöckigen Häusern weichen, so dass das nahe gelegene Frauentor wesentlich weniger das Ensemble beherrscht.
Stadtplan der Stadt Nürnberg aus dem Jahr 1648 (1648) von Matthäus MerianKunstsammlungen der Stadt Nürnberg, Museen der Stadt Nürnberg
13 Königstraße
Königstraße nach Norden mit Klara- und Lorenzkirche (1680/1688) von Johann Andreas GraffKunstsammlungen der Stadt Nürnberg, Museen der Stadt Nürnberg
Der Weg führt an der gotischen Klarakirche vorbei, der ehemaligen Klosterkirche der Klarissen, die nach längerer profaner Nutzung, bedingt durch die Aufhebung der Klöster im Zuge der Reformation, jetzt katholische Pfarrkirche ist. Auf dem Stich wirken die Häuser auf beiden Straßenseiten noch mittelalterlich.
ln der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden sie durch stattliche Geschäfts- und Wohnhäuser sowie Hotels ersetzt, weil durch die Anlage des Hauptbahnhofes vor dem Frauentor die Bedeutung der Straße als Zugang zur Innenstadt gewachsen war.
Die Kriegsschäden wurden behoben genau wie an der sich anschließenden Mauthalle, deren Name sich von ihrer Nutzung als Waag- und Zollstation ableitet. Nürnbergs zweite Hauptkirche St. Lorenz bildet den Schlussblickpunkt.
Stadtplan der Stadt Nürnberg aus dem Jahr 1648 (1648) von Matthäus MerianKunstsammlungen der Stadt Nürnberg, Museen der Stadt Nürnberg
11 Jakobsplatz
Jakobsplatz nach Osten mit Deutschordenshaus, Weißem Turm und Jakobskirche (1681) von Johann Andreas GraffKunstsammlungen der Stadt Nürnberg, Museen der Stadt Nürnberg
Dieser große städtische Platz im Westen wurde geprägt durch das stattliche Deutschordenshaus, die gotische Jakobskirche, die nach der Zerstörung im II. Weltkrieg in vereinfachter Form wiederaufgebaut wurde, sowie durch den Weißen Turm von der vorletzten Stadtbefestigung aus dem 13. Jahrhundert.
Heutige Ansicht des Jakobsplatzes (2019)Kunstsammlungen der Stadt Nürnberg, Museen der Stadt Nürnberg
Ganz links im Bereich des früheren Ordenshauses steht heute das Polizeipräsidium. Daneben die 1903 vollendete Kirche St. Elisabeth.
Der Künstler vor dem Herrensitz Lichtenhof (um 1685) von Johann Andreas GraffKunstsammlungen der Stadt Nürnberg, Museen der Stadt Nürnberg
Kurzbiografie Johann Andreas Graff
1636: Geburt in Nürnberg als Sohn eines geachteten Schulleiters am Egidiengymnasium
1653-58: Ausbildung als Maler, Zeichner, Kupferstecher in Frankfurt a. M. in der Werkstatt von Jakob Marrell, Stiefvater von Maria Sibylla Merian
1658-64: Studien- und Arbeitsaufenthalt in Italien mit Stationen Venedig, Genua, Florenz und Rom als Mitglied einer dortigen Malergilde
1665: Rückkehr nach Frankfurt und Hochzeit mit Maria Sibylla Merian
1668: Umzug nach Nürnberg. Lebens- und Arbeitsgemeinschaft mit der "Gräffin" im "Haus zur goldenen Sonne", tatkräftige Unterstützung ihrer Arbeit an den Blumen- und Raupenbüchern; eigene Kupferstiche.
Hallertorbrücke, 1697 neu errichtet, vor der Stadtmauer und den Türmen der Lorenzkirche im Osten (vor 1688) von Johann Andreas GraffKunstsammlungen der Stadt Nürnberg, Museen der Stadt Nürnberg
1682: Rückkehr mit der Familie nach Frankfurt zur Unterstützung der verwitweten und hilfsbedürftigen Schwiegermutter.
1686: Rückkehr nach Nürnberg ohne Familie, dauerhafte Trennung.
Langjährige, intensive Arbeit an umfangreichen Werkgruppen: "Große Stadtprospecte" und "Kleine Landtschäfftlein" zusammen mit Johann Ulrich Kraus und dessen Stecherwerkstatt in Augsburg zur Umsetzung seiner Vorlagen in präzise Stiche; weitere wichtige Arbeiten: Zeichnungen als Auftragsarbeiten von Nürnberger Familien.
1694: Zweite Ehe nach Abschluss des langwierigen Scheidungsverfahrens.
1701: Tod in Nürnberg in aktiver Schaffensperiode als "ehrbarer und kunstreicher Mahler".
Das Gedenkjahr zum 300. Todestag von Maria Sibylla Merian nahmen der Förderverein Kulturhistorisches Museum e.V. und seine Kooperationspartner zum Anlass, dem Zeichner und Kupferstecher Johann Andreas Graff eine Ausstellung zu widmen. Johann Andreas Graff, der über 20 Jahre mit der berühmten Naturforscherin und Künstlerin Maria Sibylla Merian verheiratet war und selbst als vergessen und in seiner Leistung als verkannt gilt, sollte damit endlich eine verdiente Würdigung erfahren.
Gartenanwesen mit Landhaus der Familie Varget im Westen vor der Stadtmauer (vor 1688) von Johann Andreas GraffKunstsammlungen der Stadt Nürnberg, Museen der Stadt Nürnberg
Der Förderverein Kulturhistorisches Museum Nürnberg e.V. wurde als Initiative zur Erhaltung und Darstellung des kulturellen Erbes der ehemaligen Reichsstadt Nürnberg im Januar 2009 gegründet.
Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, Forschung und Wissen über die Geschichte Nürnbergs durch Vorträge und Kunstführungen und Publikationen zu fördern.
Das Endziel ist die Förderung und Schaffung eines Kunsthistorischen Museums durch Erweiterung der Museen der Stadt Nürnberg.
www.foerderverein-khm-nuernberg.de
Teil 1 der Ausstellung: Die Sebalder Altstadt
Diese Ausstellung basiert auf dem Ausstellungskatalog "Johann Andreas Graff, Pionier Nürnberger Stadtansichten"
herausgegeben vom Förderverein Kulturhistorisches Museum Nürnberg e.V.
ISBN 978-3-00-056458-1
Texte und Gestaltung: Dr. Silke Colditz-Heusl, Margot Lölhöffel, Theo Noll, Pablo de Ia Riestra, Dr. Werner Schultheiß, Bertold Frhr. von Haller, Helge Weingärtner
Realisierung: Brigitte List