Ein Abend in spanischer Hochebene. Vier Bauern sitzen um einen Tisch, die Gesichter sonnengegerbt, die Kleidung verschmutzt, man verzehrt ein einfaches Mahl. Bildfüllend breitet sich die Szene aus, das Licht des Himmels über dem hohen Horizont umfängt die derbe Gruppe mit violettem Schein. Erinnerungen an Velázquez’ berühmten »Triumph des Bacchus« (Museo Nacional del Prado, Madrid) werden wach; allein der Weingott hat seinen Platz verlassen – und doch längst von den Vieren Besitz ergriffen. Der große Weinkrug, ein zweiter schon zerbrochen, erzählt davon, die Flecken auf dem Tischtuch ebenso. Ignacio Zuloaga, in eine bedeutende baskische Künstlerfamilie geboren, war nach Jahren in Paris, wo er mit Künstlern wie Paul Gauguin und Edgar Degas verkehrte, nach Spanien zurückgekehrt, um seinen eigenen, spezifisch spanischen Stil herauszubilden. Hierfür sollten nicht nur Velázquez und Goya die großen Vorbilder abgeben, sondern vor allem die Gemälde eines weitgehend vergessenen Malers, der seine epochale Wiederentdeckung maßgeblich dem unablässig werbenden Bewunderer und Sammler Zuloaga verdankte: El Greco. Mehr als ein Dutzend Gemälde des ›Griechen‹ hatte der kosmopolitische Baske zusammengetragen, darunter die berühmte »Öffnung des fünften Siegels« (heute Metropolitan Museum of Art, New York). Zuloaga, der international, auch in Deutschland, ausstellte und mit Rainer Maria Rilke befreundet war, reüssierte nicht nur mit Landschaften und Genreszenen, sondern insbesondere als Porträtist. Die deutsche Kunstkritik indessen beurteilte ihn zwiespältig. Während Hermann Bahr den Maler 1910 als »Haupttreffer« der Biennale bezeichnete, wo er »aus dem allgemeinen europäischen Kitsch mit […] Macht« hervorbreche (Essays, Weimar 2011, S. 86), schimpfte Karl Scheffler 1919 über den »Halbkitsch von Zuloaga«, mit welchem Ludwig Justi nach dem Bezug des Kronprinzenpalais seine selbstverschuldeten Lücken im Stammhaus der Nationalgalerie fülle (Kunst und Künstler, 18. Jg., 1919, H. 2, S. 89). | Philipp Demandt