Seit 1814 war Kleinoels in Schlesien, ehemals eine Komturei des Ritterordens der Johanniter (später Malteser), Familiensitz der Grafen Yorck von Wartenburg. Der Feldmarschall Ludwig Graf Yorck von Wartenburg hatte das Dorf mit der mächtigen Palastanlage von König Friedrich Wilhelm III. als Belohnung für seine Dienste während der napoleonischen Kriege erhalten und veranlaßte Um- und Ausbau des von 1706 bis 1711 errichteten spätbarocken Schlosses im klassizistischen Stil. Bis 1945 war das Schloß mit seiner umfangreichen Bibliothek und einem erlesenen graphischen Kabinett wichtiger Treffpunkt deutscher Künstler und Dichter. Der junge Maler Leopold von Kalckreuth, der über seine Schwester mit der Familie Yorck von Wartenburg verbunden war, weilte im August 1884 zum zweiten Male dort. Ein Jahr zuvor hatte er in München mit einer realistisch aufgefaßten Darstellung eines bäuerlichen Leichenzugs durch Dachau erste Erfolge gefeiert (»Dachauer Leichenzug«, 1883, Klassik Stiftung Weimar, Kunstsammlungen) und war im Anschluß nach Holland gereist. In Kleinoels nun fand er seine Motive vor allem im weitläufigen Park, wie hier entlang der westlichen Gartenfassade, in den Lichtreflexen auf Laub und Wegen, den hohen Bäumen und dem roten Wein. Die lesende Gestalt auf dem Parkweg ist Berta Gräfin Yorck von Wartenburg (1864–1928), die Tochter des damaligen Schloßherrn, mit der sich Kalckreuth noch im Entstehungsjahr des Bildes verlobte und die er 1885 heiratete. Das unerwartet großformatige Bild zeugt von der frühen Auseinandersetzung mit dem Impressionismus und wurde im Jahr 1900 von Hugo von Tschudi für die Nationalgalerie erworben. | Regina Freyberger