Keine Königin Ägyptens ist von der Antike bis heute so berühmt gewesen wie die letzte, Kleopatra VII. Als Tochter Ptolemaios‘ XII. Auletes im Jahr 69 v. Chr. geboren, besteigt sie siebzehnjährig den Thron und versucht, eine über Jahrtausende führende Macht des östlichen Mittelmeerraums vor dem Zugriff des aufstrebenden Imperium Romanum zu retten. Hochgebildet und zielstrebig, geistreich und sprachgewandt, von starker persönlicher Ausstrahlung, gewinnt sie 48 v. Chr. den römischen Feldherr C. Julius Caesar; er legitimiert ihre Regentschaft und den gemeinsamen Sohn Kaisarion. Sie besucht Rom, hält als ägyptische Königin Hof im Hause Caesars und erregt den Argwohn der römischen Republikaner. Caesars Ermordung am 15. März 44 setzt ihren Plänen ein jähes Ende. Drei Jahre später wird sie nach Tarsus vor Marc Anton geladen, den neuen Befehlshaber der römischen Ostprovinzen, für beide eine folgenschwere Begegnung. Er folgt ihr nach Alexandria, die Zwillinge Alexandros Helios und Kleopatra Selene werden geboren. Der Kampf um die Führung in Rom hält ihn vier Jahre von Kleopatra fern, 37 v. Chr. kehrt er zu ihr zurück, sie heiraten, das dritte Kind Ptolemaios wird geboren. Er ernennt Kleopatra zur »Königin der Könige« und überträgt ihr und den Kindern den Osten des römischen Reiches. Damit liefert er seinem Rivalen Octavian (Augustus) die zündende Parole zum patriotischen Kampf gegen die nationale Feindin Roms. Am 2. September 31 v. Chr. siegt die römische Flotte in der Schlacht von Actium, nach dem Fall von Alexandria am 1. August 30 tötet sich Marc Anton. Kleopatra entzieht sich durch einen tödlichen Schlangenbiss der Schmach, als Gefangene im Triumph durch Rom geführt zu werden. Sie wird in Alexandria neben Marc Anton königlich bestattet. Mit dem Tod der letzten Pharaonin aus der Dynastie der Ptolemäer wird Ägypten zur römischen Provinz Aegyptus. Hier endet die Epoche der hellenistischen Großreiche aus dem Erbe Alexanders des Großen, Rom eignet sich auf Jahrhunderte die Vorherrschaft in Europa, Nordafrika und Vorderasien an. Das Berliner Porträt einer jungen Frau ähnelt Münzemissionen von Kleopatra VII. aus Alexandria ab 51 v. Chr. und aus Askalon ab 49 v. Chr.: Die breite Königsbinde der ptolemäischen Herrscher, die traditionelle ›Melonen‹-Frisur mit Nackenknoten und kleinen Stirnlöckchen, ihre Hakennase mit hochgezogenen Flügeln, der selbstbewusst geschwungene Mund und das energische Kinn finden sich veristisch scharf auf den Münzbildern und idealisiert bei dem Marmorkopf. Dies entspricht der Gattung und dem Zeitgeschmack, wird aber in dem Berliner Bildnis noch verstärkt durch die sensible Bildhauerarbeit in großkristallinem durchscheinendem Marmor, die dem Profil eine Lichtdurchlässigkeit fast wie bei Alabaster verleiht. Das hintere linke Drittel von Kopf, Hals und Schulteransatz war ursprünglich gesondert gemeißelt. Die Anstückung wurde einst vermutlich durch Vergoldung verdeckt, von deren Grundierung Reste roter Farbe im Stirnhaar zeugen könnten. Eine wohl um 1800 gearbeitete Gewandbüste samt Ergänzungen des Kopfes wurden nach der Erwerbung für die Antikensammlung entfernt und magaziniert; sie bewiesen jetzt die Herkunft der Berliner Kleopatra aus der Sammlung Despuig auf Mallorca. Kardinal D. Antonio Despuig y Damet, Fürst von Montenegro, hatte zwischen 1786 und 1797 Ausgrabungen in einer römischen Villa an der Via Appia südlich von Rom zwischen Ariccia und Genzano unternommen und die Funde seiner Sammlung einverleibt. Sollte auch die Berliner Skulptur dort gefunden sein, dann kann das anmutige Porträt, das als Einsatzkopf aufgrund seines leicht unterlebensgroßen Formats vermutlich in einem privaten Kontext aufgestellt war, aus einer der dort einst gelegenen Villen der römischen Nobilität stammen. Zur Zeit der Ermordung Caesars hielt sich die damals 25-jährige Regina erneut bei Rom auf, wie M. Tullius Cicero im Mai 44 v. Chr. an seinen Freund T. Pomponius Atticus schrieb (ad Atticum 14.8.1; 14.20.2). Schon 1784 war in der Villa der Quintilier an der Via Cassia nördlich von Rom die Einsatzbüste einer ptolemäischen Königin in natürlicher Größe gefunden und von Papst Pius VI. erworben worden; die fehlende Nase wurde damals sehr ähnlich der erhaltenen des Kopfes Despuig ergänzt, obwohl erst Ludwig Curtius 1933 den Kopf im Vatikan als Bildnis der Kleopatra VII. identifizierte: Das lässt vermuten, dass sich beide Köpfe zu Ende des 18. Jahrhunderts in Rom befunden haben.