Graf Henri de Toulouse-Lautrec, der seit einem Unfall im Kindesalter mit verkrüppelten Beinen leben mußte, war auf dem Montmartre ein Außenseiter unter Außenseitern, beliebt wegen seiner Unvoreingenommenheit und seiner sprühenden Rede. Entscheidende künstlerische Anregungen hatte er von Edgar Degas erhalten. Von ihm übernahm er die vereinfachten Formen und ausdrucksstarken Umrißlinien und wandelte sie seinem eigenen Stil an, mit drastischeren Silhouetten und kühneren Szenen. Seit 1885 bewohnte Toulouse-Lautrec auf dem Montmartre ein Atelier und verkehrte als Beobachter in den Cafés-Chantants, im Cabaret des berühmten Aristide Bruant, den Tanzcafés mit ihren Séparées und den Bordellen; im Tanz-Etablissement Moulin Rouge hatte er sich dauerhaft einen Tisch reserviert. Seit 1889 stellte er im Salon des Indépendant aus. Berühmt wurde er vor allem mit seinen Plakaten und Lithographien.
Toulouse-Lautrec liebte den Zirkus seit seiner Kindheit, erst in Paris kamen die verschiedenen anderen Vergnügungslokale hinzu.
Durch eigene körperliche Gebrechlichkeit sensibilisiert, erkannte er bald das auch unbarmherzige Geschäft der neuen Vergnügungsindustrie. Manchmal kleidete er sich in ein Clownskostüm und begab sich damit selbst in diese ambivalente Rolle. Seine Studie des damals berühmten Clowns Boum-Boum vom Cirque Fernando, die Paraderolle des Zirkusartisten Gerónimo Medrano (1849–1912), zeigt eine Gestalt mit ernstem Gesicht. Das großflächig grau in grau ausgeführte Bildnis ist wesentlich von der nervösen Umrißlinie geprägt. Dieses graphische Element wird Toulouse-Lautrec zur überscharfen Charakterisierung der verschiedensten Typen immer weiter kultivieren. Die Quadrierung des Untergrunds dieser Ölstudie verweist auf weitergehende Absichten, die aber im Werk Toulouse-Lautrecs nicht nachzuweisen sind. | Angelika Wesenberg
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