Berninis selbstverfasste und -inszenierte Komödie »La Marina« kam vor 1638 zur Aufführung. In ihr wurde die augenblicklich als Sensation gewertete Technik, einen Sonnenaufgang mittels komplizierter Bühnenmechanik zu simulieren, erstmals eingesetzt. Brauer und Wittkower [Die Zeichnungen des Gianlorenzo Bernini, Berlin 1931] sehen in der Zeichnung den Entwurf für dieses Bühnenbild. [...]
Durch die Aquarellierung in breiten Zügen, durch feine Nuancierungen in den Wolken und durch kontrastreiche Aussparungen auf der Wasserfläche und den Felskulissen werden ein Fächer von Sonnenstrahlen, matte Lokal- und tanzende Reflexlichter erzeugt. Oberhalb des Horizontstreifens ist die Tusche extrem verdünnt aufgetragen. Hier entsteht eine luzide Zone, die sowohl den Anschein einer Morgendämmerung als auch den Eindruck tiefer Räumlichkeit erweckt. Die Grenzen zwischen autonomer Landschaft und zweckgebundenem Bühnenbild verschwimmen.
Bernini ist es in der Zeichnung (und wohl nur in diesem Medium) gelungen, stenographische Überlegungen und die Illusion einer grandiosen Naturerscheinung perfekt zur Deckung zu bringen. In den Kategorien moderner Wahrnehmung würde man das Motiv als >romantisch< bezeichnen – aber dem Künstler des Seicento kam es nicht darauf an, ein Stimmungsbild zu erzeugen, sondern die äußeren Effekte der Natur nachzuahmen und wenn möglich sogar zu übertreffen.