Das Familienbild des Kaisers Septimius Severus ist eine Rarität: Das trockene Klima Ägyptens bewahrte das bislang einzige gemalte Bildnis eines römischen Kaisers. Gemälde von römischen Herrschern müssen in noch größerer Zahl existiert haben als die kostspieligen Porträts in Stein oder Bronze, die im ganzen Römischen Reich in öffentlichen wie privaten Gebäuden aufgestellt und gefunden worden sind.
Der Auftrag für diesen rasch und routiniert mit Temperafarben auf weißer Grundierung gemalten Holztondo erfolgte vielleicht anlässlich des Besuches der kaiserlichen Familie im Winter 199/200 n. Chr. in der Provinz Aegyptus. Der Kaiser ist frontal an der Seite seiner Frau Julia Domna dargestellt, vor ihnen die beiden kindlichen Thronfolger, der 11-jährige Caracalla und der 10-jährige Geta.Vater und Söhne tragen die alba triumphalis, einen weißen Mantel mit purpurnen und goldenen Borten über der weißen Tunica. Lange Elfenbeinzepter und dicke Goldkränze, vielleicht die altehrwürdige corona Etrusca, verziert mit je drei großen gefassten Edelsteinen, zeichnen sie aus. Die Kaiserin trägt einen Purpurmantel mit Goldborte; ihre perückenartige Frisur in parallelen Wellen krönt ein glattes Golddiadem mit Edelsteinen, Ohrringe und Halskette aus Naturperlen ergänzen den Schmuck. Die Büsten des Kaisers und seines älteren Sohnes Caracalla rechts sind jeweils vor die der Gattin bzw. des jüngeren Sohnes gerückt, eine klare Definition der Rangfolge. Im Herbst 197 hatte Septimius Severus das ältere Kind zum Augustus und das jüngere zum Caesar erhoben.
Die politische Aussage des Bildes ist evident: Die Darstellung der ganzen Familie demonstriert Eintracht in der dynastischen Nachfolge; sie garantiert Sicherheit für das römische Volk und Beständigkeit für das römische Reich. Nach der Ermordung des Kaisers Commodus 192 n. Chr. und den folgenden Wirren, aus denen Septimius Severus mit Hilfe seiner Truppen erst 197 als Alleinherrscher hervorging, wusste der Emporkömmling aus Leptis Magna in der Provinz Africa (heute Libyen) mit solcher Botschaft den Anspruch einer neuen Dynastie zu verbreiten. Durch den Tod des Vaters am 4. Februar 211 n. Chr. wird Geta Mitregent seines Bruders, aber Caracalla lässt ihn schon im Dezember in Rom ermorden, samt Tausenden seiner Anhänger. Auf Caracallas Befehl hin beschließt der römische Senat die Verdammung des Andenkens an Geta (damnatio memoriae).
Unser Tafelbild ist ein drastisches Zeugnis der konsequenten Befolgung dieser Anordnung: Das Gesicht des Geta wurde herausgekratzt und mit Dreck beschmiert, der schöne Schein der einigen Herrscherfamilie eliminiert. Dass der Tondo nicht gänzlich vernichtet wurde, entspricht der peniblen Tilgung nur von Getas Namen aus Inschriften, in denen auch der Vater genannt ist: Septimius Severus war Staatsgott, sein Name und sein Bildnis deshalb jeglichem Zugriff entzogen; Geta hingegen hatte durch den Senatsbeschluss sein Leben und somit sein Anrecht auf Göttlichkeit verloren.