Der heilige Hieronymus (Mitte des 4. Jh. - 420 n. Chr.) gehört zu den vier bedeutenden Kirchenvätern. Sein wichtigstes Werk war eine Bibelübersetzung aus dem Griechischen in die lateinische Sprache. In der Malerei wird er traditionell in zwei Darstellungstypen wiedergegeben: Als Gelehrter in der Studierstube und als Eremit vor Landschaftshintergrund. Peter Paul Rubens (1577-1640) zeigt einen kraftvollen Kirchenvater, der intensiv an der Bibelübersetzung arbeitet. Stilllebenartige Bücherarrangements weisen auf seine zahlreichen Schriften hin, die Sanduhr auf den Vanitasgedanken und der Kardinalshut auf die Berufung des Kirchenvaters. Vermutlich wählte Rubens den kräftigen Hieronymus-Typus anstelle eines ausgezehrten alten Eremiten, um ihn als kämpferischen und engagierten Gelehrten des Christentums zu charakterisieren. Das Gemälde entstand kurz nach Rubens' Italienaufenthalt (1600-1608). Die dort angefertigten Skizzen nach Werken der Antike und der italienischen Renaissance beeinflussten seine späteren Arbeiten deutlich. So erkennt man beim heiligen Hieronymus Motive aus Werken Michelangelos, die Rubens in der Sixtinischen Kapelle in Rom gesehen hatte. Auch ist der Oberkörper des Kirchenvaters in Analogie zur berühmten antiken Statue des Herkules Farnese gestaltet. Erst 1815 wurde das Gemälde vom Inspektor der Bildergalerie, Gottlieb Puhlmann, in die Galerie aufgenommen. Es diente als Ersatz für ein Gemälde, das durch die napoleonischen Truppen nach Paris geführt worden war und auch nach den Befreiungskriegen nicht zurückkehrte. Rubens' Autorschaft war im Laufe der Jahrhunderte zeitweilig in Vergessenheit geraten. Zugeschrieben wurde das Bild an Abraham van Diepenbeeck, später an Gaspar de Crayers und Abraham Janssens. Erst 1953 konnte die Zuschreibung an Rubens wieder bestätigt werden. (Alexandra Bauer)
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