Mit dieser ebenso pathetischen wie realistischen Interpretation des Gleichnisses vom verlorenen Sohn begründete der junge Dürer um 1496 seinen Erfolg als Kupferstecher. Vor dem Hintergrund des malerisch verschachtelten Gebäudekomplexes eines wohl nach realem Vorbild gezeichneten, verwahrlosten Meierhofes kniet der verlorene Sohn – auf einer Ebene mit dem Vieh – am Futtertrog, umlagert von einer ganzen Familie gieriger Schweine. Er hatte, wie das Gleichnis im Lukas-Evangelium berichtet, das vorzeitig erhaltene Erbteil verprasst und musste nun, in tiefe Armut gefallen, sein Leben als Schweinehirt fristen und selbst den Tieren ihr Futter neiden. Dürer stellt den Moment dar, in dem der verlorene Sohn händeringend beschließt, zum Vater zurückzukehren, seine Sünden zu bekennen und um Aufnahme als Tagelöhner zu bitten. Dass ihn der Vater indes mit Freuden als endlich Heimgekehrten willkommen heißen wird, ist als Beispiel für die unverdiente Gnade zu verstehen, die Gott dem reuigen Sünder zuteil werden lässt. Das theologisch höchst aktuelle Gleichnis erlangte in der Andachts- und Erbauungsliteratur, sowie im religiösen Schauspiel des Spätmittelalters zunehmende Bedeutung – bis hin zur Reformation, die in ihm eine Bestätigung der lutherischen Gnadenlehre sah.