E 12.6.2006
ASTRID HOFFMANN
Ein Politiker, der während der
Parlamentspause auf Welttour-
nee geht und dessen Musik
das Publikum zum
und den Berliner
Tanzen
Konzertsaal
zum Beben bringt, ist außerge-
wöhnlich. Gilberto Gil ist Bra-
siliens Kulturminister und
Musiker. Außerdem kuratiert
er die sechswöchige Veranstal-
tungsreihe Copa da Cultura in
Berlin. Eine Art Kulturwelt-
meisterschaft, die er persön-
lich mit einem Konzert eröff-
net hat. Parallel zur laufenden
Fifa-WM stellt der Titelvertei-
diger seine anderen gewinnen-
den Seiten vor: Musik also, Bil-
dende Kunst, Tanz und Litera-
tur
Märkische Allgemeine
Brandenburger Stadtkurier
Das Zentrum der Kampagne
ist das Haus der Kulturen der
Welt zwischen Bundeskanzler-
amt und Schloss Bellevue. Je-
den Freitag und Samstag, je-
weils vor und nach einem
Fuß-
ballspiel, sind Konzerte mit 18
berühmten Musikern Brasi-
liens angesetzt: Die Prinzessin
des Bossa Nova, Bebel Gil-
berto, greift nach der Krone ih-
res Vaters. Chico Buarque, Bra-
siliens John Lennon und Bob
Dylan in Personalunion, be-
tritt nach einer sechsjährigen
Pause wieder die Bühne. Viele
Stile und Richtungen von Klas-
sik bis Electro und HipHop
sind vertreten. Zwischen zwei
Konzerten wird im Foyer der
„Schwangeren Auster“ zur
Fußball-Liveübertragung ein-
geladen.
„Brasilien + Deutschland"
steht auf dem Banner. Minis-
ter Gil brachte diese Idee bei ei-
nem Besuch 2004 nach
Deutschland und stieß auf Be-
geisterung und Partner. Er will
Deutschland und der Welt ein
Brasilien vorstellen, dass kul-
turell viel zu bieten hat und
deshalb nicht immer nur mit
Fußball assoziiert werden
muss. Gleichwohl bleibt diese
Verbindung selbstverständ-
lich für ein Land, in dem ein be-
Fußball und noch viel mehr
Brasilianische Kulturwochen im Berliner Tiergarten
Singender Politiker: Gilberto Gil.
sonderes Gefühl für den Kör-
per, für Bewegung und Rhyth-
mus zur Basis kultureller Iden-
tität gehört. Worin diese kultu-
relle Identität besteht, zeigt
das Spektrum der Veranstal-
tungen. Das Programm um
fasst aktuelle Videokunst, ei-
nen Galerien-Rundgang in Ber-
lin-Mitte und eine Multimedia-
show im U3-Bahnhof am Pots-
damer Platz über den berühm-
testen aller Fußballer: Pelé.
Zur Eröffnung der Ausstellung
„Peléstation - The Legend in
Action“ reiste die Kickerle-
gende persönlich an. Genauso
wie Regisseure, Maler, Schrift-
steller vor Ort sind.
FOTO: HOFFMANN
Es ist nicht das erste Mal,
dass Gilberto Gil ein Gespür
für aktuelle Entwicklungen
hat. Der 1,65 Meter große
Mann mit seinen langen Rasta-
locken (heute meist ordentlich
zum Zopf gebunden) hat in
den 60er Jahren eine Bewe-
gung geprägt, die Brasilien re-
volutionierte. „Tropicalia"
heißt denn auch die Ausstel-
lung, die am Wo
chenende im Haus
der Kulturen der
Welt eröffnet wurde.
Sie zeigt, wie in den
Jahren, die in Groß-
britannien mit den
Beatles, in Deutsch-
land mit der Studen-
ver-
tenbewegung
bunden waren, eine
neue brasilianische
Pop-Bewegung Ein-
fluss gewann. Nicht
nur in der Musik, son-
dern auch in den Bil-
denden Künsten, im
Theater und im
Kino. Sie wirkte sich
aus auf Design
und
Werbung, Mode und
Fernsehen. Gilberto
Gil hat die brasiliani-
sche Musik für an-
dere Stile geöffnet.
Für den Reggae zum
Beispiel. Praktisch
verband er Samba
mit der E-Gitarre.
Die künstlerische
und soziale Identität
der Brasilianer verän-
derte sich die Bewe-
gung wurde zur Op-
position gegen die da-
mals herrschende Mi-
litärdiktatur. Der Tro-
picalismo, geprägt
von Stars wie Cae-
tano Veloso oder Gil-
berto Gil, steht für
die Entwicklung ei-
ner neuen offenen
Kunstform. Genera-
tionen von Künstlern, Schrift-
stellern und Musiker ließen
sich von einem Prozess inspi-
rieren, der die Konflikte und
Differenzen einer heterogenen
Einwanderungsgesellschaft in
Kreativität wendete. Man
sollte die Ergebnisse nicht ver-
passen.
.Copa da Cultura": Haus
der Kulturen der Welt, John-
Foster-Dulles-Allee 10, 10557
Berlin. Informationen unter
www.hkw.de
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