Das Modell, das lebhaft und nicht ohne geistvolle Koketterie den schlanken Hals dreht und schräg aus dem Bild herausblickt, war eine gefeierte Opernsängerin. Couture war mit der Welt des Theaters vertraut und hat mehrfach Bühnenkünstler porträtiert: Alice Ozy, Constance-Caroline Lefebvre-Faure, Paul Barroilhet oder Eléonore Florentin. Anregung durch das Theater zeigt zumal die ein Jahr nach diesem Bildnis begonnene Serie der Pierrot-Bilder – sie waren amerikanischen Käufern zugedacht. Überhaupt nahm schon die zeitgenössische Kritik auch in seinen größeren Kompositionen einen ›bühnenhaft‹ dekorativen Zug wahr.
Das zu Beginn des Zweiten Kaiserreiches entstandene Bild, das der Künstler stolz seinem Schüler Manet gezeigt haben soll, unterstreicht die damenhafte Eleganz, ein formvollendetes und höchst selbstbewußtes Auftreten, die Unmittelbarkeit und Unverbindlichkeit eines Moments. Dabei wahrt es den für viele Porträts von Couture eigenen routiniert-flüchtigen Charakter der Studie. Das dünn aufgetragene, einer Untermalung ähnliche tonige Braun-in-Braun haben Coutures zahlreiche Schüler eine Zeitlang übernommen. Einer von ihnen, unter den Deutschen der berühmteste, war Anselm Feuerbach, der die Entstehung unseres Bildes vor seiner Abreise aus Paris noch erlebt haben könnte. | Claude Keisch