Die Zeichnung eines schreienden Kindes ist eine frühe realistische Affektstudie. Grünewald steigert die Schilderung unerträglichen Schmerzes oder dramatischer Seelenpein ins Extreme. In heftigster Regung wirft das Kind den Kopf in den Nacken. Wir schauen geradewegs in das tiefe Dunkel seines weit aufgerissenen Mundes. Damit korrespondierend gibt Grünewald das Obergesicht mit heftig zugekniffenen Augen und affektgekräuselter Stirn hinter einer kleinen Stupsnase in strenger Verkürzung. Die zeichnerische Ausführung ist dabei einfach, aber sehr delikat. Tonige Wischtechnik in Verbindung mit wenigen, hauchzarten Schraffuren unterstützt an Hals und Wangen den Eindruck einer leicht gedunsenen Epidermis. Typenmäßige Beziehungen zu den Isenheimer Engelsphysiognomien sind nicht von der Hand zu weisen.
Interessiert am Thema „Visual arts“?
Mit Ihrem personalisierten Culture Weekly erhalten Sie Updates
Fertig!
Sie erhalten Ihr erstes Culture Weekly diese Woche.