Chad Gadya, zu deutsch: ein Zicklein, ist der Titel eines ursprünglich jiddischen Volksliedes […]. In zehn Strophen wird erzählt von einer kleinen Ziege, die von einer Katze gefressen wird; die Katze wird von einem Hund gebissen; den Hund schlägt ein Stock; der Stock verbrennt im Feuer; Wasser löscht das Feuer; ein Ochse (s. das abgebildete Blatt) trinkt das Wasser; ein Fleischer schlachtet den Ochsen; der Todesengel tötet den Schlachter, und den Tod vernichtet Gott, der Herr. Zwar hat das Lied einen kindlichen Klang, aber es lud auch ein »zu einer allegorischen Interpretation. Die geläufigste sieht in ihm eine Allegorie des Schicksals des jüdischen Volkes, das von der kleinen Ziege repräsentiert wird. Und alle, die sich gegen sie wenden, symbolisieren die Feinde dieses Volkes im Wechsel der Jahrhunderte […]. Chad Gadya mag aber auch verstanden werden als eine Geschichte von der Zerstörung bestehender Ordnungsgefüge, vom Kampf zwischen kriegerischen Mächten und der Erschaffung einer neuen Ordnung.« (übersetzt nach Moshenson 1986, S. 4) In einem Eingangsblatt und den zehn Hauptillustrationen erzählt Lissitzky die Geschichte des Zickleins in Bildern, die sich von der russischen Folklorekunst herleiten. In den Illustrationen selbst erinnern nur einzelne kubistische Elemente an die zeitgenössische Avantgarde, während Lissitzky die Innenseiten des Bucheinbandes in den Formen der geometrischen Abstraktion gestaltet hat, die bereits auf seine sich anschließende Werkphase verweisen.