Der einflußreiche rationalistische Literaturtheoretiker Johann Christoph Gottsched (1700–1766), Professor für Poetik und Beredsamkeit in Leipzig, erwarb sich bedeutende Verdienste um die Erforschung und Erkenntnis der Gesetze der deutschen Sprache. Als Anhänger der Aufklärung setzte er sich für deren Verständlichkeit ein (»Versuch einer critischen Dichtkunst vor die Deutschen«, 1730). Mit seiner Reform des von Schwulst und Possen der Wandertruppen beherrschten Theaters erstrebte Gottsched eine Hinwendung zum französischen Klassizismus (»Deutsche Schaubühne nach den Regeln der Griechen und Römer eingerichtet«, 1740–1745). Er verbündete sich mit der Truppe der Friederike Caroline Neuber, auch als ›die Neuberin‹ bekannt, und schuf mit seinen Musterstücken und Übersetzungen von Pierre Corneille und Jean Baptiste Racine ein Repertoire für die deutsche Bühne.
Das repräsentative, sich durch Frische und Lebhaftigkeit auszeichnende Doppelporträt zeigt Gottsched mit seiner ersten Ehefrau Luise Adelgunde Victorie (1713–1762), genannt ›die Gottschedin‹, und ist wohl anläßlich der Heirat 1735 gemalt worden. Die auch geistige Verbundenheit des Paares wird in den ineinanderliegenden rechten Händen deutlich. Seiner Gattin huldigend, hält Gottsched eine weiße Blüte über ihr Haupt. Luise Gottsched übersetzte und schrieb Bühnenstücke, unter anderem die Komödie »Die Pietisterey im Fischbein-Rocke: Oder die Doctormäßige Frau« (1736), und hinterließ ein anregendes, lebendiges Briefwerk. Das stilistisch dem höfischen Barock verpflichtete Gemälde wurde für die Bildnissammlung der Nationalgalerie als ein mutmaßliches Werk des ungarischen, zum sächsischen Hofmaler ernannten, ab 1731 in Dresden und Leipzig wirkenden Porträtisten Ádám Mányoki erworben (vgl. SMB-ZA, I/NG 946, Journal-Nr. 1938/349). | Birgit Verwiebe