Im Westflügel des 1. Stocks befanden sich ehemals die privaten Räume der Jenisch. Im Schlafzimmer von Frau Senator stand laut Inventarliste von 1859 „eine Bettstelle, acht Stühle, ein Lehnstuhl, eine Chiffoniere, ein Toilettespiegel, eine Kommode mit Toilette, zwei Tische, ein Waschtisch, ein Handtuchhalter, ein Nachttisch, eine Etagere, eine Uhr, ein Feuerungskorb, ein Gestell mit Feuerzange und Schaufel, Gardinen und Fußteppich, im Toilette-Zimmer befanden sich ein Wäscheschrank, ein Kleiderschrank, vier Stühle, ein Waschtisch, zwei Tische, ein Handtuchhalter, ein Nachttisch, eine Toilette mit Spiegel, ein Gestell mit Feuerzange und Schaufel, Gardinen und Fußdecke. Im Eckzimmer stand ein Sopha.“ Auch besaß Madame Jenisch eine Badewanne, das Haus verfügte bereits über ein Leitungssystem. Zudem existiert eine versteckte Dienstbotentreppe, die vom Keller hinauf zu den privaten Räumen in die erste Etage führte. Der Eckraum zum Süden war ursprünglich als gemeinsames Schlafzimmer angedacht, aber ob die tatsächliche Nutzung den ursprünglichen Planungen entspricht, ist nicht belegt.
Heute widmen sich die Räumlichkeiten dem Leben und Werk des Aufklärers Caspar Voghts (1752-1839). Bedeutendstes Objekt in der Ausstellung ist das Porträt Voghts von Jean Laurent Mosnier (1743-1808).
Der Hamburger Kaufmann Caspar Voght führte gemeinsam mit seinem Freund und Geschäftspartner Georg Heinrich Sieveking (1751-1799) in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts eines der größten Handelshäuser Hamburgs. Voght war eine Schlüsselfigur innerhalb der gesellschaftlichen Entwicklungen der Hansestadt zu dieser Zeit. Durch sein Engagement für soziale, kulturelle und wissenschaftliche Projekte nahm er eine Vorreiterrolle ein. Die Reform des hamburgischen Armen- und Gefängniswesens im Jahr 1788, welche Voght in ganz Europa Anerkennung brachte, zählt ebenfalls zu seinen großen Leistungen. Ehrungen erfuhr der Reformer u.a. vom preußischen König und von Kaiser Franz II. (1768-1835), der ihm den Titel eines Reichsfreiherrn verlieh. In Hamburg war Voght ein engagierter Förderer des Theaterwesens, er begeisterte sich für Literatur und Kunst, setzte sich für das Bildungswesen ein.
Eines der bedeutenden reformerischen Projekte von Voght war es, in Klein-Flottbek bei Hamburg ein landwirtschaftliches Mustergut nach englischem Vorbild zu errichten, das innerhalb der Geschichte der Agrarwissenschaft und der Landschaftsgärtnerei nach wie vor eine herausragende Rolle spielt. Von diesem Mustergut ist das Kernstück des englischen Landschaftsgartens bis heute erhalten - der Jenischpark.
Voghts progressive Ideen wurden durch zahlreiche Reisen und vielfältige Kontakte in ganz Europa genährt. Er war ein Reformer und Kosmopolit und mit zahlreichen Persönlichkeiten seiner Zeit bekannt. Voght kann als typischer Vertreter der Aufklärung gelten. Jedoch zeichnet er sich durch sein bisweilen eigenwilliges Engagement als eine besonders facettenreiche, exponierte Figur aus, in deren ambivalenter Persönlichkeit sich die Ideen und Gesellschaftsbilder der Epochenschwelle um 1800 widerspiegeln.
Der französische Porträtmaler Mosnier stellt Voght als aufgeklärten Gutsbesitzer dar. Die Bücherwand und der Blick aus dem Fenster verweisen auf sein Interesse an der Wissenschaft, an der Gartenkunst und Landwirtschaft.
Der in Paris geborene Jean Laurent Mosnier, auch Lemmonier oder Lesmosnier genannt, zählte um 1800 zu den bekanntesten Porträtmalern in Hamburg. Seine Kunden entstammten der solventen bürgerlichen Oberschicht und dem Adel. Bevor er 1797 in die Hansestadt kam, hatte sich Mosnier in der französischen Hauptstadt als Miniaturporträtist einen Namen gemacht. 1776 wurde er zum Hofmaler der Königin Marie-Antoinette (1755-1793) bestimmt, 1788 in die Pariser Akademie aufgenommen. Dort war er 1789 bereits mit zahlreichen Werken vertreten. Zwei Jahre später floh er wegen der Eskalation während der Französischen Revolution nach London, wo er bis 1797 verweilte.
Nicht nur das hanseatische Publikum überzeugte Mosnier durch virtuose Maltechnik und brillante, lebendige Farbigkeit. Die ruhige Art der Beobachtung der Porträtierten, wie auch in dem Porträt Voghts, erinnert an die Werke von Thomas Gainsborough (1727-1788) und Joshua Reynolds (1723-1792). Mosniers künstlerische Spezialität liegt in der Schilderung der kostbaren Stoffe. Spezifisch ist der Rot-Schwarz-Klang, in dem Bildnis Voghts nachzuvollziehen im dunklen Gehrock und der roten Draperie, ebenso nachvollziehbar auf dem Gemälde von Alice Boué, geb. Parish von 1798, das ebenfalls im Jenisch Haus präsentiert wird.
Nicht immer fallen die Kritiken an Mosniers Arbeiten konsequent positiv aus. Bereits im Salon du Louvre wurde er für die zu dominante Schilderung der Textilien kritisiert. Domherr Friedrich Johann Lorenz Meyer (1760-1844) schloss sich dieser Kritik an: „Die manirirte Färbung, kleinliche Gewandbehandlung, die theatralischen Kompositionen und Stellungen, mit allen den Zierereien, und den Inkorrektheiten in der Zeichnung, des grössten Theils dieser Maler, sind weltberufen. […] In der Kritik seiner Gemälde einzugehen, ist hier nicht der Ort. Er hat Vorzüge als Künstler, eine glänzende – vielleicht zu glänzende – Drappierbehandlung; Karakter, Leben und Wahrheit im Ausdruck der Köpfe. Seine Gewänder, besonders Sammt und Atlas, sind täuschend nachgeahmt, und, so wie die Nebenwerke, bis ins kleinste Detail, mit einem Fleiss ausgemalt, […].“
Auch andere Zeitgenossen, unter ihnen Philip Otto Runge (1777-1810), lobten und schätzten Mosnier überwiegend wegen der Darstellung des Faltenwurfs und seines Detailstudiums, kritisierten jedoch die französische Manieriertheit sowie das Konventionelle in seiner Malweise, zudem die fehlende Ähnlichkeit des entstandenen Bildnisses zu dem Porträtierten, wie auch der Politiker und Publizist August von Hennings (1746-1826) ausführt: „Ich bedauere den Beruf des Portraitmahlers, undankbare Aehnlichkeiten hinfälliger Wesen verewigen zu müssen und durch seine Kunst so manchen Menschen zu geben, was ihnen ihre eigene Natur und Ausbildung versagt hat. […] Es scheint indessen, daß das Aengstliche und Gezierte die Franzosen weniger drükt als andere Nationen. Der Geist der Kleinheit contrastirt mit ihrer Lebhaftigkeit weniger, als man glauben sollte, ihre Lebhaftigkeit macht sie äußerst eitel und Eitelkeit macht kleinlich.“
Die Idealisierung der dargestellten Personen, vor allem der Gesichter, die sich häufig im Halbschatten befinden, scheint sich durch Mosniers Werk zu ziehen. Er weiß den Dargestellten sowohl in seinem Umfeld als auch in seiner Psyche gut zu charakterisieren. Scheinbar geht es ihm weniger um eine genaue Wiedergabe der Statur und der Gesichtszüge als um die Wiedergabe der inneren Anschauung des Porträtierten, die der Künstler erkennen muss, um die Personen entsprechend darstellen zu können. Überhaupt scheint es beinahe, als fühle sich der als empfindsam und besonnen zu bezeichnende Maler mit seinen distinguierten Auftraggebern wesensverwandt. Zumindest ähnelten sich Mosnier und Voght in ihrem Hang zum Pathetischen und zur theatralischen Inszenierung.
Das Bildnis Voghts ist im letzten Jahr des Aufenthaltes Mosniers in Hamburg entstanden. Sieben Jahre später verstarb er als Hofmaler der Zarin Elisabeth Alexejewna (1779-1826) und als Professor der St. Petersburger Akademie.