Liebermann hat Otto Braun im Juli/August 1932 während einer dramatischen Wende in dessen Leben gemalt. Vermutlich aber war das Bildnis lange vorher vereinbart. Otto Braun (1872–1955) war von 1920 bis 1932 Ministerpräsident des Freistaates Preußen. Der SPD-Politiker (›Roter Zar von Preußen‹) bemühte sich um eine demokratische Umgestaltung der öffentlichen Verwaltung. Mit dem sogenannten Preußenschlag am 20. Juli 1932 wurde die Regierung Braun nach einer im April gegen eine Mehrheit aus Nationalsozialisten und Kommunisten verlorenen Wahl, die jedoch nicht zu einer neuen Regierungsbildung geführt hatte, durch Reichskanzler von Papen entmachtet. Liebermann schrieb am 2. August 1932 ohne auf die Ereignisse Bezug zu nehmen an Kultusminister Adolf Grimme: »Aber Sie, Herr Minister, haben mich nicht nur in meiner amtlichen sondern auch in meiner künstlerischen Tätigkeit aufs wirksamste unterstützt, indem Sie Herrn Ministerpräsident Braun bewogen haben – was wohl nicht ganz leicht war –, mir zu seinem Porträt zu sitzen. Als er das letzte Mal hier war u sich die Arbeit angesehn hatte, sagte er mir, daß ich seine Bedenken gegen das Gemalt-werden von ›Künstlern‹ zerstört hätte: das Angenehmste, was er mir hätte sagen können. Auch wird er morgen wiederkommen zur ›letzten Ölung‹, wenn das Glück mir günstig ist« (zit. nach M. Eberle, Max Liebermann, München 1996, Bd. 2, S. 1236). 1933 wurde das Bild vom Minister der Nationalgalerie überwiesen. Otto Braun flüchtete nach der Machtergreifung Hitlers 1933 ins Schweizer Exil. Sein Porträt wurde 1937 im Rahmen der Aktion Entartete Kunst (Verzeichnis Nr. 12105) beschlagnahmt und 1939 in Luzern versteigert. Aus Schweizer Privatbesitz wurde es 1960 über Lempertz, Köln, zurückerworben. | Angelika Wesenberg
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