Carpaccio hat ein umfangreiches OEuvre hinterlassen, meist erzählende Zyklen aus den Versammlungsräumen der Venezianer Bruderschaften (Scuolen). Ein Berliner Beispiel ist die »Diakonsweihe des Stephanus«. Dagegen steht die späte »Grabbereitung« in Carpaccios OEuvre relativ isoliert. Der strenge Stil und die im Reichtum der Anspielungen wie in der Düsternis der Stimmung gleicherweise exzeptionelle Umsetzung des altbekannten Themas lassen die frühere Mantegna-Zuschreibung verständlich erscheinen. Den gedankenverloren am Fuß des Baumes hockenden halbnackten alten Mann wird man als Hiob deuten dürfen, gottergebener Dulder des Alten Bundes und damit ein bekannter Archetyp für den leidenden Christus. Links oben erkennt man die Kreuze von Golgatha, rechts die trauernden Angehörigen. Verweisen die anderen Werke von Menschenhand auf die Antike und deren Vergänglichkeit, so zeigen die Beine des Tisches, auf dem Christus nach einer byzantinischen Bildtradition zur Leichenwaschung aufgebahrt ist, die Formen der Gegenwart. Die ambossartige Mittelstütze meint den roten Stein der Salbung, eine in der Ostkirche hochverehrte Reliquie. Die melancholische Ruhe dieses Moments zwischen Tod und Auferstehung unterstreicht der Trompeter, der inmitten der trostlosen Kulisse spielt. Auf einer wohl um 1505–07 entstandenen Altartafel in New York setzt Carpaccio Hiob ein zweites Mal an die Seite des toten Christus. Beide Gemälde befanden sich 1632 in der Ferrareser Sammlung Canonici. Dennoch lässt gerade das eng verwandte Thema fragen, ob sie, wie jüngst vorgeschlagen, tatsächlich beide für die 1504 nach einem Umzug neu eingerichtete Scuola di San Giobbe geschaffen worden sein können; weitere zugehörige Stücke sind bislang nicht bekannt, das Berliner Bild wird von einigen erst um 1515–20 angesetzt.