Als Inbegriff des malenden Naturtalents scheint der wie kein anderer von der flämischen Kunst berührte Strozzi schon zu Lebzeiten zur Legende geworden zu sein. Nach zehn Jahren der Tätigkeit in einem Kapuzinerkloster des heimatlichen Genua 1608 freigestellt, um seine Mutter zu versorgen, verbrachte er nach deren Tod die letzten elf Jahre seines Lebens auf der Flucht vor dem Orden hochgeehrt in Venedig. Trotz Verpressung der starken Pastositäten vermittelt das Berliner Bild im vom Künstler so geschätzten Halbfigurenformat einen guten Eindruck von seinem meisterhaften Umgang mit Material und Farbe. Überall lässt sich der lebendige Duktus des meist recht breiten Pinsels verfolgen. Nicht nur bei den Schnüren des Wamses sorgt ein Arbeiten auf dem noch feuchten Grund für besondere Effekte. Die virtuos abstrahierenden Tendenzen erreichen ihren Höhepunkt im Brustausschnitt der Dienerin: kaum noch Formen, nurmehr glühende Farblagen. Fast neckisch greift Salome nach einer Locke des Täufers. In ihrem lebensvollen Gesicht mit den für Strozzi typischen geröteten Wangen spürt man kaum ein Entsetzen. Mit dem gleich großen der »Hagar« (Seattle) scheint das Bild zumindest seit 1706 das Schicksal geteilt zu haben.