Im Jahr 1926 schuf Georg Scholz dieses „Selbstbildnis vor der Litfaßsäule“. Wach und offen schaut der Künstler aus dem Bild den Betrachtenden an. Die Szenerie um ihn wirkt eigentümlich kühl, einsam und unbelebt. Georg Scholz war ein Künstler der Neuen Sachlichkeit – sie liegt hier in der Luft.
Der Künstler begegnet uns gleichsam als Mann der Straße, nicht etwa bei der Arbeit im Atelier, sondern als Beobachter seiner zeitgenössischen Umgebung, der öffentlichen, sozialen und medialen Realität. Als Bürger in Hut und Mantel komponiert sich Scholz in den Bildvordergrund. Die Kulisse seines Auftritts bildet eine Litfaßsäule, auf der Ankündigen diverser Unterhaltungsangebote kleben: Beworben werden ein Tanzabend, bei dem „das dickste Weib Europas“ auftreten wird, und Sportereignisse. Neben der Litfaßsäule erkennt man links im Hintergrund eine Benzin-Zapfsäule, das Schaufenster eines Autohändlers und einen darin ausgestellten Mercedes.
So mondän und modern diese Szenerie anmuten mag, sie ist von einer befremdlich unwirklichen Lichtstimmung geprägt: Der Künstler wird von rechts durch scharfes Seitenlicht beleuchtet, im Schaufenster kommt das Licht jedoch von links. Im Moment dieser malerischen „Selbstaufnahme“ ist Scholz schon seit drei Jahren Lehrer an der Karlsruher Kunstakademie und damit auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Er unterrichtet dort bis 1933. Dann verfemten ihn die Nationalsozialisten als „entarteten Künstler“ und entfernten ihn aus dem Amt.
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