In kaum gemilderter Frontalität – gleich Dürers berühmtem, christusähnlichem Münchner Selbstbildnis –, mit einem Ausdruck von fast finsterem Ernst, den Stock wie eine Reitpeitsche auf den Knien, herrisch, unnahbar: der 37jährige zeigt sich eher wie ein Junker oder Großinquisitor denn wie ein Künstler. Er will als Hüter eines höheren Gesetzes wahrgenommen werden, entsprechend der von ihm gelebten Auffassung von einer Kunst, die sich über die Kontingenzen von Alltag und Gesellschaft hinwegschwingt. Marées lebte damals mit seinem jungen Bildhauerfreund Adolf Hildebrand im ehemaligen Kloster San Francesco bei Florenz,worauf die toskanische Landschaft im Hintergrund hindeutet; das Neapeler Freskenwerk (vgl. S. 85) war gerade vollendet, und die großzügige, reuelose Sicherheit, mit der es geschaffen wurde, wirkt in dem Berliner Bild trotz seiner dunklen, matten Farbigkeit nach.
Interessiert am Thema „Visual arts“?
Mit Ihrem personalisierten Culture Weekly erhalten Sie Updates
Fertig!
Sie erhalten Ihr erstes Culture Weekly diese Woche.