Die Doppelherme vereint die Porträts zweier herausragender antiker Denker aus griechischer und römischer Zeit. Sie wurden offenbar aufgrund ihres ähnlich gewaltsamen Lebensendes zu einem Doppelbildnis zusammengefasst: auf der einen Seite der griechische Philosoph Sokrates, von einem Gericht Athens 399 v. Chr. dazu verurteilt, den Schierlingsbecher zu trinken, auf der anderen der römische Staatsmann, Philosoph und Dramatiker Seneca, der 65 n. Chr. auf Geheiß seines ehemaligen Schülers Nero Selbstmord beging. Die beiden Köpfe der Herme, die ursprünglich wahrscheinlich zur repräsentativen Skulpturenausstattung einer römischen Villa gehörte, sind nur sehr flüchtig gearbeitet. Gleichwohl handelt es sich um ein bedeutendes Stück, da mit ihm das einzige, inschriftlich gesicherte Porträt des Seneca erhalten ist. Das Bildnis zeigt den Kopf eines Mannes mit deutlichen Altersmerkmalen, einem kantigen Schädel, hoher, kahler Stirn, Glatze, hochgezogenen Augenbrauen, kurz geschnittenem Seitenhaar, faltigem Untergesicht, kleinem Mund und Doppelkinn. Bekleidet ist er nach griechischer Sitte nur mit einem über seine linke Schulter gelegten Mantel. Der Name des Seneca ist links unten auf der Büste eingeschrieben. [...]
Das Porträt des Sokrates ist durch zahlreiche weitere Wiederholungen gut bekannt. Es folgt einem statuarischen Vorbild, das dem Bildhauer Lysipp aus Sikyon (Schaffenszeit ca. 370–310 v. Chr.) zugeschrieben wird und bei dem die satyrhaften Züge eines wenig älteren Bildnistyps abgemildert waren.
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