Elisabeth von Eickens künstlerischer Lebensweg führte von Paris nach Ahrenshoop. In Mühlheim a. d. Ruhr in einem großbürgerlichen Umfeld geboren, hatte sie die Möglichkeit zu einem ausgedehnten, über zehn Jahre fortgesetzten Studienaufenthalt in Frankreich. Sie begegnete dort den Landschaftsbildern der Maler von Barbizon. Doch auch Werke deutscher Impressionisten um Max Liebermann sah sie im Pariser Ausstellungsgeschehen. Elisabeth von Eicken setzte sich mit der Sehweise der Freilichtmaler auseinander, indem sie selbst in der Nähe von Barbizon malte. Im Verlauf des Jahres 1892 verließ sie Frankreich und versuchte, sich in der Kunstwelt Berlins zu behaupten. Diese Stadt blieb auch ihr Wohnsitz und wichtigste Ausstellungsplattform, nachdem sie sich 1893 der Künstlerkolonie Ahrenshoop angeschlossen hatte. Dort baute sie 1894 das bekannte Sommeratelier „Haus Elisabeth”, um sich dort vom Frühjahr bis zum späten Herbst ungestört ihrer Landschaftsmalerei widmen zu können. Durch das Malen im Freien und den direkten Kontakt zum Motiv war sie in der Lage, jede witterungsbedingte Stimmungsnuance als etwas Einzigartiges wahrzunehmen und bildhaft umzusetzen. Die bisweilen sich zeigende Nähe ihrer Malerei zum Impressionismus hängt aber kaum mit einer direkten Antwort auf impressionistische Vorbilder zusammen. Vielmehr scheint sie in ihrem deutschen Ausstellungsumfeld die damals durch die Weimarer Malerschule verarbeiteten Anregungen aus dem französischen Impressionismus aufgenommen zu haben. Aus dieser indirekten Rezeption der jüngsten Entwicklungsvariante französischer Lichtmalerei entwickelte Elisabeth von Eicken einen eigenen malerischen Esprit. Um 1895 entstand wohl das Bild „Frühling”, ein von der Künstlerin häufig variiertes Motiv. Im Sonnenlicht der Jahreszeit erstrahlt es so frisch, als sei es eben erst von ihr entdeckt worden. Mit hoher koloristischer Sensibilität arbeitete sie das atmosphärisch Besondere heraus und gestaltete das schlichte Sujet zur sinnlichen Erfahrung von Sonne, Luft, Licht und neuer Lebensfreude. In satten, leuchtenden Farben vermittelt sich das Flair des Frühlingstages. Helles Licht dringt durch das erste zarte Laub eines Kirschbaums und ist Zeuge, wie seine flockige, weiße Blütenpracht sich dem Wind preisgibt. Emsig pickende Hühner laufen über die sandige Zufahrt, die schon vom wachsenden Grün belebt wird. Elisabeth von Eicken besaß ein ausgeprägt emotionales Verhältnis zu dieser Landschaft. Ihre malerische Entdeckerlust entzündete sich an den jahreszeitlichen Rhythmen der Natur über Jahre ungebrochen. Mit dem Ersten Weltkrieg verlor sich ihr Œuvre wieder im Ungewissen.
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