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Die Einweihung des Freiburger Münsters

Moritz von Schwind1841/1842

Staatliche Kunsthalle Karlsruhe

Staatliche Kunsthalle Karlsruhe
Karlsruhe, Deutschland

Schon kurz nach dem Beginn der Bauarbeiten an der Großherzoglichen Kunsthalle hatte Hübsch - auf Empfehlung Julius Schnorr von Carolsfelds hin - Kontakt zu Moritz von Schwind (1804-1871) aufgenommen. Schwind hatte sich mit seinen Vorgängerarbeiten für diese Aufgabe empfohlen: insbesondere mit dem Kinderfries für den Rudolf von Habsburg-Saal der Münchner Residenz, von dem für Karlsruhe 1837 auch einige Kartons angekauft worden waren. Im Jahr 1838 wurde zunächst die Ausmalung des Treppenhauses genehmigt, für die Schwind 5000 Gulden erhalten sollte. Vereinbart wurde die Darstellung der Einweihung des Freiburger Münsters durch »Herzog Berthold, den Zähringer« in lebensgroßen Figuren.

Man wies Schwind vertraglich an, »noch im Laufe dieses Jahres (1838) - um sich der Porträt-Ähnlichkeit Herzog Bertholds und der Situation des Münsters zu versichern - nach Freiburg zu reisen, und den ausgeführten Carton nebst Farben Skizze längstens bis Ende des folgenden Jahres (1839) zu Stande zu bringen«.' Vermutlich im Frühjahr 1839 reiste Schwind nach Freiburg, um das Münster in Augenschein zu nehmen. Hier kontaktierte er auch Lucian Reich und Anton Geck, die später die Ausmalung der Erdgeschoss-Säle der Kunsthalle ausführen sollten. Schwinds historische Recherchen ergaben eine Korrektur gegenüber dem Vertrag. Schon ein Aquarell-Entwurf von 1838 zu dem Projekt - und natürlich auch das ausgeführte Wandbild selbst - zeigt, wie die Inschrift besagt, Konrad von Zähringen als Ahnherrn des Badischen Hauses bei der Einweihung des Münsters.

Die Kartons für Karlsruhe waren im Februar oder März 1840 vollendet und wurden offensichtlich vier Tage lang in München ausgestellt. Im August befanden sie sich wohl in Karlsruhe und wurden vom Großherzog genehmigt. Die Deckenbemalung wurde vor Schwinds Ankunft von einem Baden-Badener Maler fertig gestellt." Die sieben mittleren rechteckigen Felder blieben ausgespart. Für sie schuf Schwind Skizzen von insgesamt vierzehn einander gegenüber schwebender Engel mit Kartuschen. Auf diesen Feldern steht quer über das Treppenhaus hinweg die Inschrift: »Gross-Herzog Leopold widmete der Kunst diese Raeume im Jahre MDCCCXLIV«.

Schwind traf am 22. September 1840 in Karlsruhe ein. Die Anlage des Treppenhauses sah zu diesem Zeitpunkt nicht mehr ganz so aus, wie der Vertrag es ursprünglich vorgesehen hatte, denn Hübsch hatte ein vormals geplantes hohes Gewölbe über einer Loggia eben in sein »Trichtergewölbe« über einem geschlossenen Treppenhaus verwandelt. Schwind entwarf deshalb für die drei so entstandenen Lünetten über seinem Fresko neue Kompositionen. Die beiden äußeren freskierte er bis Mitte Dezember 1840, sie zeigen die »Phantasie« und die »Mathematik« als Voraussetzungen der Architektur. Dann brach der Winter herein und die Arbeiten ruhten.

Nach München zurückgekehrt, entwarf Schwind den Karton für die mittlere Lünette, in der »Die Architektur von Staat und Kirche beschützt« zu sehen ist. Er malte sie bis Anfang Juli 1841, nachdem er sich im Mai in Karlsruhe niedergelassen hatte. Sein Arbeitseifer war groß, seine Stimmung frohgemut, und voller Hoffnung schrieb er im Dezember 1841: »Dazu kommt, dass Karlsruh für mich die interessanteste Stadt von der Welt geworden ist. Es gibt keine schönere Gegend, keine schöneren Straßen, keine schöneren Sterne als hier. Dieses neugebackene Loch enthält alles, was ich brauche, ob es darum mein wird, ist aber noch eine Frage. Wirkungskreis und Frau, den will ich sehen, der mehr verlangen kann, höchstens einen Haufen Kinder dazu.« Ganz so positiv sollte Schwind vier Jahre später nicht mehr über Karlsruhe denken, denn die Zusammenarbeit mit Hübsch gestaltete sich schwierig.

Mit der Ausführung des Hauptfreskos war Schwind 1841/42 beschäftigt. Das Ergebnis seiner Arbeit ist ein vielfiguriges Historienbild, das ein politisches Programm formuliert. Dem kulissenhaft zentral angeordneten, girlandengeschmückten Rundbogen-Portal des Münsters nähern sich von beiden Seiten festliche Züge. Knaben schlagen einen vor dem Tor hängen- den Vorhang zur Seite, sodass der Blick auf das Kircheninnere und den Hochaltar freigegeben wird. Vor dem Tor - am rechten Gewände - erwarten der Architekt und Mitglieder der Bauhütte des Münsters (hinter ihm in der Mitte der Architekt der Kunsthalle, Heinrich Hübsch, und - daneben mit dem Winkeleisen - dessen Lehrer Friedrich Weinbrenner) die Ankunft des Zähringers. Dieser nähert sich der Kirche von rechts mit einem Schildknappen und dem Träger einer Fahne mit den badischen Farben. seinem Hofstaat, Kindern, den vornehmen Freiburger Patriziern und Handwerkern im Gefolge. Der Architekt weist auf einen knienden Knaben hin, der dem Herrscher das Modell des Münsters präsentiert, sodass der Bau en miniature in jener Gestalt zitiert wird, die er erst im 13. Jahrhundert annehmen sollte.

Von links ist eine Prozession Geistlicher herangetreten, die vorausgegangenen, singenden Chorknaben stehen schon auf dem prächtig ornamentierten Teppich, der auf den Stufen vor dem Portal ausgebreitet liegt. Ihnen folgen zwei Diakone mit einem Prozessionskreuz, ein Bischof und Mönche. Neugierige blicken aus den Fenstern des Münsters, ein Kind springt am rechten Bildrand, begleitet von einem Hund und vom Vater fürsorglich unterstützt, über ein Freiburger »Bächle«. Auch die Bauleute auf den Gerüsten beobachten die Ankömmlinge mit regem Interesse. Unter sie hat sich Schwind selbst gemischt. Er blickt, in Profilansicht porträtiert, von der oberen Etage des Gerüsts rechts neben dem Portal hinunter auf das bunte Treiben an einer der Flanken des Kirchenbaus. Im Hintergrund neben dem Gotteshaus deutet Schwind eine mittelalterliche Stadtarchitektur an, rechts die Zähringer-Burg auf dem Berg und am Waldrand eine kleine Gruppe, die vom Heiligen Bernhard von Clairvaux (1090-1153) angeführt wird, der das Freiburger Gotteshaus erstmals in einer Predigt im Jahr 1146 erwähnte.

Architektur und Kostüme lassen erkennen, dass Schwind in diesem prächtigen, scheinbar wie ein Gobelin vor der Wand aufgespannten Bild einerseits die Zeit des älteren Konrad zu imaginieren sucht, der von 1122 bis 1152 regierte und die Stadtpfarrkirche Freiburgs gründete. Graf Konrad l. (1236 -1272) hingegen vollendete den gotischen Westturm, der hier im Modell gezeigt wird, als wolle der Architekt sich und seinen Plan für die Weiterführung des Baus empfehlen, bis zur halben Höhe. Schwind benannte seine Quellen 1841 in einem Brief an Wilhelm Füßli: »Das Bild, das ich hier male, stellt, wie Ihnen Merz geschrieben hat, die Gründung des Freiburger Münsters unter Conrad von Zähringen, dem Ahnherrn des badischen Hauses, dar. Von Büchern hatte ich nichts als die Beschreibung und Geschichte des Freiburger Münsters von Pr. Schreiber in Freiburg, den ich übrigens auch besucht und von seiner mündlichen Mitteilung profitiert habe. Aus jener Zeit (1080) ist überhaupt wenig da, und was da ist, Urkunden und Stiftungsbriefe, geben wenig Ausbeute für das Malerische.«

Die Darstellung der Einweihung des Münsters diente von Seiten des Auftraggebers der Demonstration eines doppelten Machtanspruchs. Am 15. April 1806 hatte im Freiburger Münster die Übergabe des bis dato vorderösterreichischen Breisgaus an Baden stattgefunden. Karl Friedrich von Baden nahm damals, um die weit in die Vergangenheit zurückreichende Verbundenheit seines Geschlechts mit jenem Landstrich zu bezeugen, den Namen eines Herzogs von Zähringen an. Dennoch blieben die Freiburger ihren einstigen Herren, den Habsburgern, stärker zugeneigt als den neuen. Mit Schwinds Darstellung des romanischen, zur Zeit der Zähringer errichteten Gründungsbaus - der historisch zu Schwinds Zeit so gar nicht mehr fassbar war - wurde diese altehrwürdige Verbindung bildlich bezeugt. Daraus erklärt sich, wieso der Maler ein fiktives romanisches Portal und nicht etwa das gotische Gotteshaus zeigt, dessen Chor erst 1513 unter der Herrschaft der Habsburger geweiht wurde: Der Habsburger Maximilian I. wird am Freiburger Münster als Stifter etwa in den Glasfenstern des Chores genannt.

Gleichzeitig propagiert das Bild in der deutlichen Orientierung aller Beteiligten auf Konrad die Macht der weltlichen Fürsten über den Klerus - auch dieser Aspekt des Freskos wird aus der politischen Zeitstimmung in Baden vor der Mitte des 19. Jahrhunderts verständlich. Die Einigung der badischen Lande sollte durch landesherrliche Vorgaben auch an die katholische Kirche vorangetrieben und sichergestellt werden. Schwind hat eine annähernd 700 Jahre badische Geschichte repräsentierende, bewusst mit Anachronismen operierende Fiktion des historischen Ereignisses geschaffen. Die Figuren aus der Zeit der Einweihung des romanischen Baus, für deren Darstellung - aus kunsthistorisch leicht einsehbaren Gründen - keine Vorlagen mit Porträtähnlichkeit eruierbar waren, erhalten die Züge anderer historischer Personen.

So tritt an prominenter Stelle, neben Konrad, eine Figur mit den Zügen seines Nachfahren, Großherzog Leopolds, des Stifters der Kunsthalle, synchron auf. Er hat den Erbprinzen an der Hand, ihm folgen die Großherzogin und die Prinzessinnen. Als einziger Geistlicher auf der Seite der Zähringer erscheint wiederum Konrads Sohn Rudolf, der 1167 Bischof von Lüttich wurde und 1191, nach der Rückkehr vom zweiten Kreuzzug, in der Nähe von Freiburg starb. Der Dominikanermönch mit der brennenden Kerze wurde als Bertold Schwarz identifiziert, der in Freiburg das Schießpulver erfunden haben soll, und wiederum neben Hübsch, Weinbrenner und dem anonymen Baumeister der Freiburger Pfarrkirche steht rechts vom Gewände des Portals Erwin von Steinbach, der Architekt des Straßburger Münsters, der hier als Lehrling der Freiburger Bauhütte vorgestellt wird.

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  • Titel: Die Einweihung des Freiburger Münsters
  • Ersteller: Moritz von Schwind
  • Lebensdaten des Erstellers: 1804 - 1871
  • Nationalität des Erstellers: Deutsch
  • Datierung: 1841/1842
  • Entstehungsort: Deutschland, Karlsruhe, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe
  • Abmessungen: 420 cm x 925 cm
  • Suchbegriffe zum Thema: Freibug im Braisgau, Kathedrale, Kirche, Gotik, Münster, Kirchweihe, Herzog Bertold von Zähringen, Heinrich Hübsch, Friedrich Weinbrenner, Bernard von Clairvaux, Graf Konrad von Baden, Großherzog Leopold von Baden, Großherzogin Sophie von Baden, Großherzog Ludwig II. von Baden, Großherzog Friedrich I. von Baden, Rudolf von Baden, Bertold Schwarz, Erwin von Steinbach, Sabine von Steinbach, Herzog Berthold der Reiche, Hans Baldung Grien, Markgraf Christopher von Baden, Treppenhaus, Adel, Aristokratie, Ritter, Herzog, Großherzog, Herzogin, Großherzogin, Markgraf, Graf, Prinz, Prinzessin, Fresko, Flagge, Eingang, Portal
  • Typ: Gemälde, Fresko
  • Herausgeber: Staatliche Kunsthalle Karlsruhe
  • Kunstgenre: Historienmalerei
  • Kunstrichtung: Romantik
  • Abgebildeter Standort: Freiburg im Braisgau, Deutschland, Freiburger Münster
  • Abgebildete Person: Herzog Bertold von Zähringen, Heinrich Hübsch, Friedrich Weinbrenner, Bernard von Clairvaux, Graf Konrad von Baden, Großherzog Leopold von Baden, Großherzogin Sophie von Baden, Großherzog Ludwig II. von Baden, Großherzog Friedrich I. von Baden, Rudolf von Baden, Bertold Schwarz, Erwin von Steinbach, Sabine von Steinbach, Herzog Berthold der Reiche, Hans Baldung Grien, Markgraf Christopher von Baden, Bernard von Clairvaux, Herzog Berthold V. von Zähringen
  • Abgebildetes Thema: Kirchweihe, Geschichte
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