In der Bildidee zeigt sich Hennebergs Geistesverwandtschaft mit seinem Freund Gustav Spangenberg, der in ähnlicher Weise Allegorien auf das menschliche Schicksal in das Gewand der ›Landsknechtzeit‹ kleidete (vgl. »Zug des Todes«, 1876, Nationalgalerie, Inv.-Nr. A I 242). Ein Edelmann jagt »auf abgetriebenem Pferde dem Trugbild der Fortuna nach. An der über den Abgrund führenden Brücke ist ihm sein guter Engel in Gestalt einer Jungfrau warnend entgegengetreten; sie liegt überritten am Boden; der Teufel, der den Glücksritter begleitet, verwandelt sich in den Tod« (M. Jordan, Beschreibendes Verzeichniss der Kunstwerke in der Königlichen National-Galerie, Berlin 1876, S. 75). Die Arbeit an der Komposition wurde in Italien begonnen, in München weitergeführt und in Berlin vollendet.
Die im Vergleich zum »Wilden Jäger« (Nationalgalerie, Inv.-Nr. A I 233) zeichnerisch scharfe Form, die buntere Lokalfarbigkeit dieses Bildes bedeutet einen Rückgriff auf die deutsche akademische Tradition, den Hermann Riegel mit dem Münchner Aufenthalt in Zusammenhang gebracht hat (vgl. H. Riegel, Rudolf Henneberg, in: Kunstgeschichtliche Vorträge und Aufsätze, Braunschweig 1877, S. 383). Die ersten Entwürfe bis hin zum großformatigen Karton im Maßstab 1:2 (Herzog Anton Ulrich-Museum, Braunschweig) zeigen eine abweichende Komposition. Der Tod sitzt dort mit auf dem Pferd des Ritters, das liegende Mädchen fehlt. Die später veränderte Bildkonzeption erscheint ungleich stärker moralisierend: Aus einem untrennbaren Begleiter des Menschen verwandelt sich der Tod in einen Verfolger und Gegenspieler, zugleich wird das Problem der Entscheidung zwischen Gut und Böse thematisiert und damit das Problem der Willensfreiheit des Menschen.
Der Bildtitel wurde gegen Ende des Jahrhunderts mehrfach wiederverwendet: so von Georges Rochegrosse für das aufsehenerregende symbolische Gemälde »La course au bonheur« (vor 1896) und von Franz von Stuck für den zurückgewiesenen Entwurf eines Deckenbildes für das Reichstagsgebäude (1899). Die Komposition Hennebergs, erlangte bald große Popularität. Hermann Riegel stellte ausdrücklich die Parallele zu »Hunderten und Tausenden unserer Zeitgenossen« her, den Wirtschaftskapitänen der Gründerjahre, die »dem schmeichlerischen Trugbild irdischen Glückes nachgejagt« sind, »unbekümmert um das Schicksal der Ihrigen, unbekümmert um das eigene Heil, bis sie denn mit furchtbarem Krach aus der schwindelhaften Höhe in den furchtbaren Abgrund stürzten« (H. Riegel, Rudolf Henneberg, in: Kunstgeschichtliche Vorträge und Aufsätze, Braunschweig 1877, S. 383). Auch Karikaturen spielten auf die Komposition an: zum Beispiel im »Kladderadatsch« (Ausgabe vom 22.10.1905, 58 Jg., Nr. 43, 1. Beiblatt; Ausgabe vom 30.9.1906, 59 Jg., Nr. 39) oder im »Simplicissimus« (Ausgabe vom 22.9.1930, 35. Jg., 1930, Nr. 26, mit einer Karikatur von Thomas Theodor Heine, die Hitler als Fortuna zeigt, gefolgt von SA-Männern). – Eine Ölskizze im Musée des Beaux-Arts, Dijon. | Claude Keisch
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