„Der Abtransport der Sphinxe“ ist eines der geheimnisvollsten Werke des Max Beckmann. Es entstand in den letzten Kriegstagen, als Frankreich bereits befreit und Holland noch von deutschen Truppen besetzt war. Beckmann selbst lebte seit acht Jahren im Exil in Amsterdam, wo dieses Gemälde ab März 1945 entstand. Der Maler reflektiert die ersten sichtbaren politischen Umbrüche infolge des nahenden Kriegsendes unter Zuhilfenahme der griechischen Mythologie als unwirklichen Traum.
Vorn ist eine Richtstätte zu sehen, rechts wird eine blonde Sphinx auf dem Henkerskarren abtransportiert, ihr zur Seite ein Henker. Der besiegten, blutbefleckten Sphinx folgen zwei weitere Sphingen nach: mit Jakobinermütze und französischem Generalshut hocken sie auf einem Triumphbogen, der durch die Schriftzeichen „ARK“ und „TOIR“ (arc de victoire) als Siegestor benannt wird. Der von Beckmann gewählte Typus der weiblichen Sphingen entspricht der griechischen Bildtradition, in der die Sphinx als Dämon der Zerstörung und des Unheils gilt. Eine Gewalttätigkeit scheint hier die nächste abzulösen.
Etwas zurückversetzt findet sich eine hölzern anmutende Kanone, die als Kriegsbeute der Unterlegenen gemeinsam mit den jakobinischen Sphingen aufgefahren wird. Das schöne Meeresblau mit Schiffsmasten und Wimpeln und ein weißer Tempel geben der Szene eine mediterrane Kulisse. Sie spielen möglicherweise auch auf Beckmanns eigene Sehnsucht nach der Ferne an, dessen Visumsantrag in die USA erst 1947 bewilligt wurde. Im oberen Bereich dominieren Blau, Weiß und Rottöne – sie könnten eine Hommage an Beckmanns Gastland sein und zugleich die Nationalfarben Frankreichs in Erinnerung rufen.