Der Palazzo Ducale (1908) von Claude MonetMuseum Barberini
Monet in Venedig
Während eines zehnwöchigen Aufenthalts in Venedig im Jahr 1908 schuf Claude Monet 37 Ansichten der Lagunenstadt mit den Palazzi am Canal Grande.
The Grand Canal, Venice von Joseph Mallord William TurnerLegion of Honor
Die Stadt interessierte ihn nicht als Vedute, sondern als Projektionsfläche des Lichts. Er schloss sich darin seinem Vorbild William Turner an, der die Serenissima in den 1840er Jahren ins Licht setzte und in nächtlichen Darstellungen von Feuerwerken Venedigs im Wasser stehende Fassaden zum Leuchten brachte.
Palazzo Contarini, Venice, Kunstmuseum St.Gallen (1908) von Claude MonetMuseum Barberini
Zweimal malte Monet den Palazzo Contarini und machte die Lichtreflexe auf der Fassade und die Spiegelungen auf der Wasserfläche zum Thema.
Der Palazzo Contarini (1908) von Claude MonetMuseum Barberini
Die helle Anmutung des in seiner Formensprache spätgotischen Palazzo durch die Marmorverzierungen der Frührenaissance verliert sich auf Monets Gemälden im dunklen Schimmern der blauen, grauen und violetten Farben.
Wie in den zeitgleich entstandenen Gemälden der spiegelnden Oberfläche seines Seerosenteichs in Giverny blendete Monet auch hier den Himmel aus.
The Doorway (1880) von James Abbott McNeill WhistlerLos Angeles County Museum of Art
Monets Gemälde des Palazzo Contarini korrespondieren auch mit den melancholischen Farbsymphonien des befreundeten Malers James Abbott McNeill Whistler, der in den 1870er und 1880er Jahren erstmals in Radierungen das menschenleere Venedig festgehalten hatte.
Two Doorways (1879–80) von James McNeill WhistlerThe Metropolitan Museum of Art
An Interior in Venice (1899) von John Singer Sargent RARoyal Academy of Arts
Ein Palazzo für die Kunst
Monets Motivwahl hatte aber auch mit einem Kreis amerikanischer Kunstmäzene zu tun, die sich am Canal Grande auf Höhe der Accademia zunächst im gegenüber des Palazzo Contarini gelegenen Palazzo Barbaro trafen.
Seit Monet im Jahr der Weltausstellung 1889 viele amerikanische Sammler in Paris auf seine Malerei aufmerksam gemacht hatte und sein Galerist Paul Durand-Ruel ihn von 1896 an in den USA vertrat, gehörten amerikanische Industrielle, Europareisende und Kunstmäzene zu seinen wichtigsten Kunden.
Mrs. Joshua Montgomery Sears (Sarah Choate Sears) (1899) von John Singer SargentThe Museum of Fine Arts, Houston
Der amerikanische Maler John Singer Sargent hatte Monet in der Mitte der 1880er Jahren in Giverny besucht. Als Portraitist der Sears, Wertheimers und Vanderbilts pflegte Singer Sargent engen Kontakt zu den Industrie-Dynastien des amerikanischen Wirtschaftsaufschwungs im sogenannten Gilded Age.
Claude Monet am Waldsaum malend, Photo: Tate (1885) von John Singer SargentMuseum Barberini
Singer Sargent bewunderte Monet für seine im unmittelbaren Naturstudium unter freiem Himmel geschaffenen Landschaftsbilder – und hielt diese Praxis in diesem Gemälde fest.
An Interior in Venice (1899) von John Singer Sargent RARoyal Academy of Arts
In Venedig logierte Singer Sargent bei Verwandten, die einen Salon im Palazzo Barbaro unterhielten. Auch die Malerin Winnaretta Singer-Polignac und der Komponist Prince Edmond de Polignac waren hier zu Gast.
Self-portrait, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons (1885) von Winnaretta SingerMuseum Barberini
Von hier aus fasste Singer-Polignac, amerikanische Industriellentochter, im Jahr 1900 den Entschluss, den Palazzo Contarini zu erwerben und dort in den Sommermonaten Konzerte zu veranstalten, wie sie es zusammen mit ihrem Ehemann auch in ihrem Pariser Atelier tat.
Die Familie des Nähmaschinen-Entrepreneurs Isaac Merritt Singer lebte zeitweise in Paris, wo Winnaretta Singer Malerei studiert und sich für die Freilichtmalerei Eugène Boudins, Alfred Sisleys und Claude Monets begeistert hatte. 1889 stellte sie eine Landschaft und ein Portrait im Salon aus.
Princesse Louis de Scey-Montbeliard, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons (1889) von John Singer SargentMuseum Barberini
Während ihrer ersten Ehe mit dem französischen Adeligen Louis de Scey-Montbéliard ließ auch sie sich von Singer Sargent portraitieren und begann, Werke von Monet zu erwerben.
Ihre Käufe in der Pariser Galerie George Petit machten Edmond de Polignac auf Winnaretta Singer aufmerksam; beim Erwerb des 1886 entstandenen Gemäldes Tulpenfeld in Holland überbot sie ihn. Später scherzte de Polignac “Ich heiratete die Amerikanerin und konnte das Gemälde ansehen, sooft ich wollte.”
[Ballet "Petrushka" by Igor Stravinsky] (1920s) von Pawel BarchanThe J. Paul Getty Museum
Winnaretta Singer-Polignac unterstützte Musiker und Komponisten wie Gabriel Fauré, Eric Satie, Igor Stravinsky und Arthur Rubinstein. Sie förderte die Ballets Russes und die Pariser Oper ebenso wie die barocke Musik und trug zur Wiederentdeckung von Händel, Rameau und Bach bei.
Venedig, nach Monets "Der Palazzo Contarini" (2016-2019) von Christoph IrrgangMuseum Barberini
Weit vor Peggy Guggenheim schuf Winnaretta Singer am Canal Grande ein Refugium für die Kunst. 1928 gründete sie die Stiftung Singer-Polignac. Der Palazzo Contarini befindet sich noch heute in Besitz der Familie Polignac. Nach wie vor finden dort Konzerte moderner Musik statt.
Der Palazzo Contarini (1908) von Claude MonetMuseum Barberini
Amerikanische Mäzene
Noch 1917, als der musikbegeisterte New Yorker Kupferbaron Adolph Lewisohn Monets Gemälde Der Palazzo Contarini von Durand-Ruel erwarb, engagierte sich Winnaretta Singer im Palazzo Contarini für die Musik. Lewisohn trat als Sponsor der Metropolitan Opera hervor und finanzierte von 1918 an in New York klassische Open-Air-Konzerte in dem von ihm erbauten Lewisohn Stadium.
Monet verfehlte seine Absicht nicht: sein Gemälde hielt Einzug in die Sammlung eines amerikanischen Kulturenthusiasten und Mäzens. Seine Motivwahl traf in den amerikanischen Sammlerkreisen auf einen Nerv.
2013 erwarb der deutsch-amerikanische Kunstsammler und Mäzen Hasso Plattner das Gemälde Der Palazzo Contarini. Heute befindet es sich in dem von ihm gegründeten Museum Barberini in Potsdam.
Für die freundliche Genehmigung der Verwendung von Werkabbildungen danken wir dem Kunstmuseum St. Gallen und Tate Images.
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