"Claudia Skoda mit ihrer Strickmaschine im U-Bahnhof Kottbusser Tor, Berlin" (ca. 1976-77) von Martin KippenbergerOriginalquelle: Privatbesitz

Claudia Skoda steht für Strickdesigns von der Maschine, für performanceartige Modenschauen, für West-Berliner Bohème und Undergroundkultur der 1970er und 1980er Jahre.

"Claudia Skoda posiert auf dem Dach der fabrikneu" (ca. 1975) von Fotograf*in unbekanntOriginalquelle: Privatbesitz

Claudia Skodas Stricktechnik macht sie einmalig. Bereits in den 1980er Jahren galt ihr Design international als "Knitted Genius" (Key, 1984) und sie selbst als "Queen of Texture" (Paper, 1985). 2006 betitelt sie die Elle-Redaktion neben Madeleine Vionnet, Mary Quant, Peggy Guggenheim, Vivienne Westwood und Madonna als eine der Frauen, die den Look des 20. Jahrhunderts geprägt haben. Auf diesen Polaroids posiert sie selbst in einem Ensemble ihrer Kollektion "Shake your Hips" (1976).

"Jenny Capitain in Claudia Skoda auf der Modenschau 'Pablo Picasso' in der fabrikneu" (1977) von Rich RichterOriginalquelle: Privatbesitz

Die ersten Modenschauen in den 1970er Jahren finden in der "fabrikneu" statt, die Wohn- und Arbeitsgemeinschaft von Skoda in einer Fabriketage in der Zossener Straße in Kreuzberg. "Es war ein Punkt, wo alle hinkamen. Musik, Mode, Film. Ein großes Netzwerk", sagt Skoda heute. Auf diesem Foto sehen wir Skodas Freundin Jenny Capitain, die über den Laufsteg von Martin Kippenberger bei Skodas Modenschau Pablo Picasso (1977) tanzt. Zu diesem Anlass sind auch The Vibrators, eine Londoner Punkband der allerersten Stunde, extra nach Berlin geflogen, um ein Konzert in der fabrikneu zu geben.

"Einladungskarte für die Modenschau 'Neues Spiel' in der fabrikneu" (1976) von Martin KippenbergerOriginalquelle: Stiftung Stadtmuseum Berlin

Legendärerweise kreiert Martin Kippenberger, damals noch komplett unbekannt, einen Fußboden mit rund 1.300 Fotografien von sich, von Ulrike Ottinger und Esther Friedman – "Eine Woche aus dem Intimleben der Fam. Skoda und Bekanntenkreis", so der Titel des Werks. Dieser Boden in der fabrikneu dient ab sofort als Catwalk für die Modenschauen. Zu seiner Einweihung bei der Modenschau Neues Spiel (1976) gestaltet Kippenberger die Einladungskarte wie eine Spielkarte: Das Portrait Skodas als Spielkönigin und als Spiegelung Kippenberger selbst als Skoda, sein Antlitz projiziert auf ihr Portrait.

"Joyce und Jenny in Claudia Skoda auf der Modenschau 'Neues Spiel' in der fabrikneu" (1976) von Rich RichterOriginalquelle: Stiftung Stadtmuseum Berlin

Über ihre Mode sagt Skoda 1975 in einem Interview: "Die Frau, die meine Sachen trägt, muß selbstbewußt sein." Ihre Kleider sind Statements, exklusiv und einzigartig. Sie arbeitet mit besonderen Garnen und ungewöhnlichen Farben, oft bevor sie Mainstream werden. Mitte der 1970er Jahre erzielt sie mit dem Einsatz von farbigen Lurexfäden glitzernde, glamouröse Texturen, passend zur Disco-Ära.

"Bilder für Claudia Skoda, in Zusammenarbeit mit Cynthia Beatt" (1983) von Silke GrossmannKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

Auf allen Ebenen arbeitet Skoda unkonventionell. Die ausgeklügelte Formgebung einzelner Kollektionsteile ist wegen ihrer Raffinesse im Detail und der technischen Komplexität für die Herstellung in größeren Serien unrentabel. Skoda wählt nicht selten Garne, die von der Industrie gar nicht verarbeitet werden können. Zudem lässt sie ihre Strickdesigns typischerweise nicht von gängigen Modefotograf*innen, sondern von Kunstfotograf*innen ablichten, wie hier von Silke Grossman.

"Irene Staub alias Lady Shiva in Claudia Skoda’s Banana-Kleid" (ca. 1980) von Luciano CastelliKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

Bis 1982 promotet Skoda ihre Mode ausschließlich auf Messen und Modenschauen. Ihren ersten eigenen Laden eröffnet sie in New York. Weitere folgen in Berlin: auf dem Kurfürstendamm, der Linienstraße und der Alten Schönhauser. Für ihre Messestände, z. B. auf der "Igedo" in Düsseldorf, lässt Claudia Skoda Plakate herstellen. Eines ihrer bekanntesten Motive ist das "Banana"-Kleid der "Fruits"-Kollektion, getragen von Irene Staub aka Lady Shiva, laszive Szenegröße, Luxusprostituierte mit Hang zur Provokation – und eine gute Freundin von Claudia Skoda.

"Werbeplakat mit Banana-Motiv" (ca. 1980) von Luciano CastelliOriginalquelle: Privatsammlung Manuel Göttsching

Auf dem Plakat ist neben Lady Shiva ein Bananen-Motiv zu sehen, in Anlehnung an Andy Warhol’s berühmtes Cover-Motiv, welches er für Velvet Underground & Nico gestaltete.

"Tabea Blumenschein und ihre Freundin Isabelle Weiß in Claudia Skoda" (1982) von Fotograf*in unbekanntKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

Claudia Skoda ist Teil des subkulturellen Milieus in West-Berlin der späten 1970er und frühen 1980er Jahre. Ihre bekannten "Kreuz"-Pullover werden im Underground-Klamottenladen Eisengrau von Bettina Köster und Gudrun Gut verkauft, für deren All-Girl Band Malaria! Claudia Skoda ebenfalls die Bühnenoutfits strickt. Das Sexy- und Jungenhafte, das Aggressive und das Anmutige werden kombiniert: hohe Absätze und Nylonstrümpfe zusammen mit gestrickten Totenköpfen oder Dolchen, wie hier getragen von Tabea Blumenschein und ihrer Freundin Isabelle Weiß.

"Claudia Skoda, Tabea Blumenschein und Jenny Capitain" (ca. 1977/78) von Ulrike OttingerKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

Im Leben von Claudia Skoda sind Freundschaften mit Frauen zentral. Sehr häufig arbeitet sie mit ihnen zusammen: Gemeinsam mit Tabea Blumenschein veranstaltet sie viele ihrer Modenschauen, sie spielt in Ulrike Ottingers Film "Madame X – Eine absolute Herrscherin" (1977) mit und lässt sich, wiederum zusammen mit Blumenschein und Jenny Capitain, von Ottinger zahlreiche Male porträtieren.

"Claudia Skoda mit Pelzstola" (ca. 1976/77) von Ulrike OttingerKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

In ihren spontanen fotografischen, von Ottinger so genannten Nachtsessions inszenieren Ottinger, Skoda und Blumenschein verschiedenste Frauenrollen. Eine besondere Affinität haben Claudia Skoda und ihre Kolleginnen zu den new women der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts: Die Filmdiven Hollywoods, die außergewöhnlichen Dada-Frauen und die exzentrischen Tänzerinnen im Berlin der Weimarer Republik, die Zigaretten rauchten, Alkohol tranken und freizügig lebten.

"Tabea Blumenschein und Claudia Skoda bei einer spontanen Fotosession" (ca. 1976/77) von Ulrike OttingerKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

Blumenschein und Skoda spielen in den Nachtsessions Vamp, Femme fatale, Bubikopf, wild cat. Es geht dabei auch um ein Anknüpfen, ästhetisch wie inhaltlich, an den Glanz, die radikale Modernität und die Verruchtheit der wilden 1920er-Jahre in Berlin.

"Plakat zur 'Laufsteg' Modenschau" (1978) von Claudia SkodaOriginalquelle: Privatarchiv Ulrike Ottinger

Claudia Skodas besonderes Verhältnis zu Berlin lässt sich auch an den Veranstaltungsorten ihrer Modenschauen erkennen: Sie finden immer wieder in markanten Berliner Gebäuden statt. Die erste große öffentliche Schau ist "Laufsteg: Berlin – Mode – Elektronik – Show 78" im Ägyptischen Museum (heute Sammlung Scharf-Gerstenberg).

"Szene aus der 'Laufsteg' Modenschau" (1978) von Fotograf*in unbekanntKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

Manuel Göttsching, der Elektromusikpionier, der seit 1976 viele Skoda-Shows musikalisch begleitet, sorgt auch bei der Modenschau "Laufsteg" für den Beat. Von dem gemeinsam mit Göttsching zuvor ausgearbeiteten Ablaufplan existieren noch heute Skizzen, an denen sich gut ablesen lässt, wie den präsentierten Kleidungsstücken unterschiedliche Posen – von "tanzend", "sexy" und "elegant" bis zu "heroisch", "krank" und "lustig" – sowie entsprechend variierend Licht und Sounds zugeordnet waren.

"Szene aus der 'Big Birds' Modenschau" (1979) von Rüdiger TrautschKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

Claudia Skodas Modenschauen entwickeln sich zu multidisziplinären Gesamtkunstwerk-Events. Die Show "Big Birds" (1979) in der Alten Kongresshalle (die sogenannte "schwangere Auster") sprengt alle Konventionen: Es gibt keinen Laufsteg, stattdessen ist der Raum mit Armierungsgittern durchtrennt und nur von einzelnen starken Scheinwerferkegeln beleuchtet. Die Performer Salomé und Castelli schwingen sich fast nackt und am ganzen Körper geschminkt auf einem Hochtrapez über die Models, die sich wie Vögel bewegen. Skoda hatte sie zuvor in den Zoologischen Garten geschickt, um das Verhalten der Vögel zu studieren.

"Motiv aus der Fotoserie 'Big Birds'; Claudia Skoda und Tabea Blumenschein" (1979) von Luciano CastelliKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

Claudia Skoda setzt sich für ihre Kollektionen wie für ihre extravaganten Modenschauen ein Thema, das konsequent als Konzept in der Choreographie, im Styling, in der Musik und in der Gestaltung von Plakaten und Einladungen verfolgt wird zu einem Grad, wie es zu dieser Zeit noch nicht in der Modebranche üblich ist. Auch hierin ist sie Vorreiterin. Für die Plakate von "Big Birds" inszenieren sich Skoda und Blumenschein wie im Kampf und lassen sich in einer dramatisch-dynamischen Serie von Luciano Castelli fotografieren.

"Luciano Castelli in seinem Masterpieces-Strickpullover" (1986) von Peter GodryKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

Die enge Zusammenarbeit mit Künstler*innen ist kennzeichnend für Claudia Skoda. Für Entwürfe der Edition "Masterpieces" von 1986 gewinnt Claudia Skoda Künstler*innen der Neuen Wilden aus dem Kreis der ehemaligen Berliner Selbsthilfegalerie "Galerie am Moritzplatz", die sie in limitierter Auflage in Strick umsetzt. Für die Künstleredition Skodas steuert Luciano Castelli den Pullover "Pirat" bei, der auch als Hose getragen werden kann, wie in diesem fotografischen Porträt festgehalten.

"Deep Diving for Whales, Deutsche Guggenheim, Berlin" (1997) von Gertrude GoroncyKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

1998 wird im Deutschen Guggenheim für einen Abend Kunst zur Mode und Mode zur Kunst: Skoda präsentiert neben Entwürfen von Künstler*innen wie John Bock, Rosemarie Trockel, Alba D’Urbano u. v. a. auch die von ihr eigens konzipierte Performance "Deep Diving for Whales", in der sich die Models amphibienhaft in gestrickten Ganzkörperanzügen bewegen. Von den Anzügen strecken sich in einen Strickschlauch eingelassene große, mit Helium gefüllte Ballons zur Decke. Diese Modenschau ist nicht die erste von Claudia Skoda kuratierte: Mit ihrer Schau "Dressater. Dressed to Thrill" hatte sie 1988 die internationale Modewelt nach Berlin geholt und als Showmasterin das Programm für die Eröffnungsgala zu "West-Berlin – Kulturhauptstadt Europas" zusammengestellt.

"Claudia Skoda in 'Jazz'-Hose und 'Benzin'-Jacke" (ca. 1978) von Esther FriedmanKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

Genauso wie die Kunst ist auch die Musik zentral im Leben von Claudia Skoda. Ihre Kollektionen und Modenschauen sind voller Anspielungen auf verschiedenste Musikrichtungen – Jazz, Glamrock, Punk, Elektro, Disco. Skoda ist unorthodox; sie kann nicht auf einen Style oder einen Sound festgelegt werden. Zu ihrem Musiker*innen-Kundenkreis gehörten u.a. David Bowie, die Neonbabies, The Pointer Sisters, Donna Summer, Cher, Tina Turner und Rufus Wainwright.

"Cover zur EP 'Die Dominas'" (1981) von Karl Bartos & Ralf Hütter [Kraftwerk]/Die DominasOriginalquelle: Privatbesitz

1981 wechselt Skoda für kurze Zeit selbst die Disziplin und landet gemeinsam mit Rosie Müller mit ihrer EP "Die Dominas" einen Undergroundhit. Ralf Hütter und Karl Bartos von der Band Kraftwerk hatten die beiden im Gespräch auf die zwei Akkorde mit den Namen "sub-domina" und "domina-7" aufmerksam gemacht, Manuel Göttsching mischte das Stück und im Video traten dann Eff Jott Krüger (von der Band Ideal) und Mark Eins (von der Band DIN A Testbild) als "Klienten" der beiden Dominas auf. Hütter und Bartos gestalteten dann auch das Cover.

"Malaria! in Kreuzpullover von Claudia Skoda" (1982/1983) von Esther FriedmanOriginalquelle: Privatarchiv Esther Friedman

Für die Konzerttour der avantgardistischen all-girl Band Malaria! 1982/83 strickte Skoda die Bühnenoutfits. Sowohl in Sachen elektronisches Stricken als auch elektronisches Musikmachen galt die Atari-Konsole als ideale DIY-Schaltung: "Gudrun Gut [Malaria!] hatte einen Atari und ich hatte auch einen Atari", so Skoda über die Strickmaschinen, die sie zu dieser Zeit nutzte: "In der Musik war die Atari ja auch unverzichtbar".

"Claudia Skoda in der fabrikneu" (1982) von Tom JacobiOriginalquelle: Privatbesitz

In der Ausstellung "Dressed to Thrill" (2021) wird Claudia Skoda in all ihrer Vielseitigkeit zum ersten Mal eine Retrospektive gewidmet. Die Ausstellung der Kunstbibliothek in Kooperation mit dem Kunstgewerbemuseum, gefördert vom Hauptstadtkulturfonds, zeigt Skodas offene und kreative Herangehensweise und zeichnet ihr Netzwerk von befreundeten Künstler*innen und Musiker*innen nach. Mit der Ausstellung geht ein Großteil der gezeigten Objekte in den Bestand der Sammlung Modebild der Kunstbibliothek und steht somit zukünftigen Generationen von Forscher*innen zur Verfügung.

Mitwirkende: Geschichte

Text: Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
Konzept & Text: Britta Bommert und Marie Arleth Skov
Redaktion/Umsetzung: Justine Tutmann
Übersetzung: Ian Pepper
Auf der Grundlage von: "Claudia Skoda. Dressed to Thrill" Publikation anlässlich der Ausstellung am Kulturforum. Mit Beiträgen von Heidi Blöcher, Britta Bommert, Fiona McGovern, Esther Ruelfs, Marie Arleth Skov. Verlag Kettler, Dortmund 2020.
© Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
www.smb.museum

Quelle: Alle Medien
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