Allied military personnel in Paris celebrating V-J Day (1945-08-15)Originalquelle: Goodfreephotos
Die erste Hochphase der elektronischen Musikinstrumente begann im späten 19. Jahrhundert mit dem Cahills Telharmonium und brachte bis zu den 1930ern eine breite Palette neuartiger Instrumente und technologischer Innovationen hervor. Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs am Ende des Jahrzehnts kam die zivile technologische Forschung jedoch fast vollständig zum Erliegen.
Nach dem Kriegsende 1945 widmeten sich die Menschen in den verwüsteten Ländern vor allem dem Wiederaufbau und der Rückkehr zu einer neuen Normalität. Dennoch: Trotz aller Schwierigkeiten und Entbehrungen war diese Periode von großem Erfindungsreichtum geprägt, sowohl in kultureller als auch in technologischer Hinsicht.
Moog Etherwave Theremin kit (2005)Originalquelle: Wikimedia (user "Hutschi")
Instrumente aus der Vorkriegszeit
Nicht jedes Instrument, das in den Nachkriegsjahren für Aufmerksamkeit sorgte, war tatsächlich vollkommen neu. Sowohl das Theremin als auch die bereits erwähnten Ondes Martenot wurden schon in den 30ern sehr populär und fanden Verwendung in der Musik vieler zeitgenössischer Filme. Robert Moog, auf den wir später noch genauer eingehen werden, finanzierte sein Studium mit der Entwicklung und dem Verkauf von Selbstbastlersets für ein tragbares Theremin.
Clara Rockmore | The SwanOriginalquelle: YouTube
Oskar Salas last Mixturtrautonium (1955)Originalquelle: Musikinstrumenten-Museum (Foto: schnepp renou)
Das Mixtur-Trautonium
Auch das Trautonium von Friedrich Trautwein hat seinen Ursprung in den 1930ern und wurde bis kurz vor Kriegsausbruch gemeinsam mit dem Komponisten und Musiktechnologen Oskar Sala in immer komplexeren Varianten weiterentwickelt. Als Mixtur-Trautonium arbeitete Sala nach dem Krieg immer weiter daran und ergänzte unter anderem um ein elektronisches Schlaginstrument, ein Hallgerät und sogar ein Tonbandgerät. 1962 verwendete er das Mixtur-Trautonium für die eindringliche und angstvolle Geräuschkulisse des Alfred-Hitchcock-Films Die Vögel.
Clavioline with matching amplifier (2017) von ClaviolineOriginalquelle: Musikinstrumenten-Museum (Foto: schnepp renou)
Die Clavioline
Die Clavioline wurde in den späten 1940ern von Constant Martin im französischen Versailles erfunden. Sie war ein Vorgänger des analogen Synthesizers und wurde unter der Klaviatur eines Flügels platziert. Über einen Kniehebel und einen Lautsprecher konnte der Pianist mit einem beeindruckend umfangreichen Repertoire an zusätzlichen Klängen und Artikulationen arbeiten. Auch wenn die Clavioline heute kaum noch bekannt ist, war sie zu ihrer Zeit ein sehr beliebtes Instrument. Sie wurde unter Lizenz in mehreren Ländern gebaut und ist in Klassikern wie „Telstar“ der Tornados und „Baby, You're a Rich Man“ von den Beatles zu hören.
The control panel of a Mellotron (2009-05-05)Originalquelle: Tobias Akerboom
Frühes Sampling
Sampling ist heute eine Standardtechnik: Neue Musik entsteht durch das Zusammensetzen kurzer, bereits vorhandener Tonausschnitte, auch Snippets genannt. Nachdem sich das Magnetband als Medium etabliert hatte, entwickelte der US-amerikanische Erfinder Harry Chamberlin mit dem M1001 ein Instrument, das über eine Klaviertastatur einzelne auf Band aufgenommene Noten abspielen konnte. Die Geburtsstunde der Tonband-Loop-Technik: Es heißt, Chamberlins Vertriebspartner Bill Fransen habe sie im Vereinigten Königreich dem Tonband-Hersteller Bradmatics als eigene Idee vorgestellt und das Unternehmen 1963 zum Bau des heute sehr viel bekannteren Mellotrons überredet.
The Mellotron: A Keyboard with the Power of an Orchestra (1965) | British PathéOriginalquelle: YouTube
Post-War Instruments – Maestro Rhythm KingOriginalquelle: Musikinstrumenten-Museum (Foto: schnepp renou)
Drum Machine
Die weltweit erste Drum Machine war der 1959 auf den Markt gebrachte Wurlitzer Sideman. Wie die Clavioline war der große Holzkasten als Zusatzinstrument gedacht und begleitete das Hauptinstrument des Musikers mit voreingestellten Schlagzeugrhythmen. Mit der Erfindung der Transistoren kamen kleinere Geräte wie der Rhythm Ace (1967) und der Rhythm King (1970) auf den Markt. Drumcomputer, auch Drum Machines genannt, werden vor allem mit dem Sound ab 1980 in Verbindung gebracht, waren aber auch bei experimentierfreudigen Künstlern der 60er beliebt – in There's A Riot Goin' On von Sly & The Family Stone beispielsweise sind zahlreiche Overdubs eines Rhythm King MRK-2 zu hören.
Maestro – Rhythm King Mk IOriginalquelle: YouTube
IBM Electronic Data Processing Machine (1957-03-21) von NASAOriginalquelle: Wikimedia
Frühe Computermusik
1957 programmierte Max Mathews, Elektroingenieur bei den Bell Labs, MUSIC – eines der ersten Softwareprogramme, das Klänge auf einem digitalen Computer erzeugen konnte, und das erste, das bei anderen Forschern und Musikern breiten Anklang fand. Allerdings war es alles andere als einfach, mit der Computertechnologie der damaligen Zeit Musik zu produzieren. Für die erste mit MUSIC verfasste Komposition brauchte es einen enormen IBM 704-Mainframe. Eine Echtzeitberechnung der 17 Sekunden langen Performance erwies sich als unmöglich. Also zeichnete Mathews eine volle Stunde MUSIC-Output auf, übertrug ihn auf Band und spielte ihn mit höherer Geschwindigkeit wieder ab.
First computer to sing - Daisy BellOriginalquelle: YouTube
Post-War Instruments – Moog Modular IIOriginalquelle: Musikinstrumenten-Museum (Foto: schnepp renou)
Das Zeitalter der Synthese
Entgegen der weitläufigen Meinung wurden Drumcomputer, Sampler und sogar Computer schon vor dem ersten dedizierten Synthesizer in der Musikproduktion eingesetzt. Das Grundprinzip eines subtraktiven analogen Synthesizers, wie ihn Robert Moog in den 1960ern entwickelte, ist einfach: Der Musiker erzeugt eine Wellenform und formt deren Ton durch Herausfiltern (subtrahieren) aller unerwünschten Frequenzen. Die ersten Synthesizer waren klobig, teuer und kompliziert – aber dennoch ein Verkaufsschlager. Das spornte nicht nur Moog an, sondern auch seinen Zeitgenossen Don Buchla, der sich einem anderen, aber ähnlich einflussreichen Syntheseansatz verschrieben hatte. Sie entwickelten kleinere, handlichere Instrumente wie den Minimoog und den Buchla Music Easel. Beide Synthesizer gelten heute als Klassiker und für funktionierende Originalgeräte werden hohe Summen aufgerufen.
Minimoog Model D TestOriginalquelle: YouTube
Post-War Instruments – EMS VCS3Originalquelle: Musikinstrumenten-Museum (Foto: schnepp renou)
Peter Zinovieff
Während bekannte Namen wie Moog und Buchla eine neue Ära der elektronischen Musik in den USA einläuteten, gründete der Russe Peter Zinovieff in London das Unternehmen EMS (Electronic Music Studios) und begann mit der Entwicklung des weltweit ersten bezahlbaren, tragbaren Synthesizers – des VCS3 (Abbildung). Der damals 300 £ teure VCS3 hat in gut erhaltenem Zustand heute einen Sammlerwert ab 10.000 £ aufwärts. Auch nach dem Erfolg dieser Erfindung arbeitete Zinovieff weiter an neuen Systemen und entwickelte unter anderem 1971 den EMS Synthi 100, der auf Anraten des großen Karlheinz Stockhausen selbst vom Studio für elektronische Musik erworben wurde. Der russische Erfinder wollte aber ein noch kleineres, erschwinglicheres Instrument und präsentierte 1972 den Synthi AKS für den Musikunterricht in der Schule.
Sound-Effect Demo EMS Synthi VCS3 "The Putney" Analog SynthesizerOriginalquelle: YouTube
Moog DFAM and Mother 32 synthesizers (2019)Originalquelle: Anton Shuvalov
Nachhaltiger Einfluss
Viele der hier vorgestellten Instrumente sind Sammlerstücke und entweder extrem selten oder praktisch unbezahlbar. Dennoch ist ihre Bedeutung für die Musiktechnologie, die mittlerweile in der Branche Standard geworden ist, weiterhin unverkennbar.
Synthesizer von Zinovieff, Moog und Buchla sind auch heute noch beliebt und dienen als Inspiration für viele andere Hersteller, die Schlüsselkomponenten dieser frühen Instrumente in ihre Geräte integrieren und weiterentwickeln. Auch viele der Grundsätze, die Max Mathews mit seiner MUSIC-Software etabliert hat, gelten in moderner Software nach wie vor – glücklicherweise brauchen Musiker für die Programme jetzt aber keine Supercomputer mehr.
Interessiert am Thema „Science“?
Mit Ihrem personalisierten Culture Weekly erhalten Sie Updates
Fertig!
Sie erhalten Ihr erstes Culture Weekly diese Woche.