Kunst für die Straße: Plakate im Jugendstil

Ein besonderes Highlight der Kunstbibliothek bildet die Plakatkunst des Jugendstils, deren Meisterwerke hier präsentiert werden.

Werbeplakat für das „Berliner Tageblatt“ (1899) von Ephraim Mose LilienKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

Großformatige und farbenfrohe Plakate, wie wir sie heute kennen, gibt es erst seit rund 150 Jahren. Mit Erfindung neuer Drucktechniken entwickelten sie sich ab dem späten 19. Jahrhundert zum Werbemedium schlechthin. Bald waren die Boulevards der Großstädte gepflastert mit Plakaten (auf Englisch „poster“, auf Französisch „affiche“) – eine regelrechte „Affichomanie“, ein Plakatwahn, hatte Europa und die USA erfasst.

Plakat für ein Konzert im Restaurant „Olympia“ (1892) von Jules ChéretKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

Der Franzose Jules Chéret spielt eine zentrale Rolle in der Geschichte des Plakats. Er vereinfachte in den 1860er-Jahren die Drucktechnik der Lithografie und etablierte ein schnelles und günstiges Druckverfahren. Als Gestalter legte er mit seinen bunten Arbeiten den Grundstein des modernen, auf Fernwirkung angelegten Plakats. Auf seine Initiative hin wurden Künstler mit Plakatentwürfen beauftragt, darunter Henri de Toulouse-Lautrec, Théophile-Alexandre Steinlen und Eugène Grasset. Die „Plakatkunst“ war geboren.

Ausstelllungsplakat für „L'Art Nouveau. Exposition permamente“ (1896) von Félix VallottonKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

Aus einem jungen, modernen Lebensgefühl entstand um 1900 eine künstlerische Bewegung mit ganz eigenem Stil. Im deutschsprachigen Raum nannte man sie „Secessionsstil" (lat. secessio, dt. Abspaltung) oder „Jugendstil", in Frankreich „Art Nouveau" (Neue Kunst), in Großbritannien „Modern Style" (Moderner Stil).

Alle Lebensbereiche sollten revolutioniert und von Kunst durchdrungen werden. Jugendstilkünstler arbeiteten daher nicht nur in den schönen Künsten sondern gestalteten auch Plakate, Möbel, Schmuck, Textilien, Zeitschriften und Bücher, Glaswaren und Gebäude.

Plakat für das Cabaret „Divan Japonais“ (1892) von Henri de Toulouse-LautrecKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

Atmosphärische Impressionen aus dem Pariser Nachtleben der Jahrhundertwende bestimmen die berühmten Plakate von Henri de Toulouse-Lautrec. Schauspieler, Tänzerinnen, Kabarettbesucher und Prostituierte werden als die realen Stars der Belle Époque vorgestellt. Die flächige, stilisierte Darstellung ergab sich aus der neuen Drucktechnik mit reduzierter Anzahl von Farben. Sie erklärt sich aber auch aus Toulouse-Lautrecs Vorliebe für japanische Holzschnitte.

Plakat für den Nachtclub „Chat Noir“ (1896) von Théophile Alexandre SteinlenKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

Théophile Alexandre Steinlen war ein großer Katzenfan. In diesem Plakat setzte er den eleganten Tieren ein Denkmal. Der legendäre Nachtclub „Le Chat Noir“ im Pariser Montmartre war das erste moderne Cabaret: Hier saßen Gäste bei Getränken an Tischen, während sie mit Bühnendarbietungen unterhalten wurden.

Plakat für den „Salon des Cent – Exhibition E. Grasset“ (1894) von Eugène GrassetKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

Naturmotive und organische Formen hatten im Jugendstil Hochkonjunktur. Eugène Grassets Plakat für seine Ausstellung im „Salon des Cent“ in Paris zeigt die Personifizierung der Künste beim aufmerksamen Studium einer Pflanze namens Geißfuß. Dunkle Umrisslinien und große Farbflächen erinnern an Glasmalerei. Mit diesem Werk begann die internationale Verbreitung des Jugendstilplakats.

Plakat für das Theaterstück „La Dame aux Camelias. Sarah Bernhardt“ (1896) von Alphonse MuchaKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

Alphonse Mucha war ein Star des französischen Jugendstils. Berühmt wurde er durch seine Plakatserie für die gefeierte Schauspielerin Sarah Bernhardt. Mucha entwarf unzählige Werbeplakate, Kalender, Menükarten sowie rein dekorative Plakate, die bis heute beliebt sind und als Souvenirs verkauft werden.

Plakat für die Zigarettenpapiermarke „Job“ (1897) von Alphonse MuchaKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

Im späten 19. Jahrhundert entwickelte sich eine Reklamestrategie, die bis heute eingesetzt wird: Frauen wurden als Blickfang ins Bild gesetzt, um Produkte zu bewerben. Das Produkt selbst, hier das Zigarettenpapier der Marke „Job", tritt in den Hintergrund. Die in Schwüngen und Arabesken gestaltete Haarpracht, auch als „Makkaronilocken“ bezeichnet, wurde vielfach adaptiert und zum Markenzeichen des Jugendstils

Plakat für die Kaffeemarke „Rajah“ (1900) von Henri Privat-LivementKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

Dieses Plakat von Henri Privat-Livement wirbt für den Kaffee der Marke „Rajah“. Die weibliche Figur soll die Idee vermitteln, dass der Genuss dieses Kaffees mit Schönheit und Eleganz verknüpft ist. In typischer Jugendstilmanier passte Privat-Livement die Schrift dem Inhalt an und imitierte damit die Dampfschwaden von heißem Kaffee.

Plakat für das Loie Fuller Theater (1900) von Manuel OraziKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

Die Auftritte der US-amerikanischen Tänzerin Loie Fuller auf der Weltausstellung im Jahr 1900 in Paris waren legendär. Hier hält Manuel Orazi sie in einem Plakat fest.

Weiche Farbverläufe evozieren die spektakulären Schleiertänze, bei denen Fuller buntes Licht auf ihre langen Gewänder projizieren ließ.

Plakat für das Salatöl „Delftsche Slaolie“ (1894) von Jan TooropKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

Jan Toorops Werbung für ein Salatöl der Firma „Nederlandse Olie Fabriek“ (NOF) ist einzigartig: Stilisierte Haarmassen und fließende Kleider breiten sich über die gesamte Bildfläche aus und legen sich wie ein hypnotisierender Saucen-Strudel um eine Salatschüssel.

Toorop wurde auf Java geboren, damals niederländische Kolonie; sein ungewöhnlicher Stil war von der indonesischen Kunst beeinflusst.

Plakat für die Zeitschrift „Spinster's Scrip“ (1895) von Aubrey Vincent BeardsleyKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

Aubrey Beardsleys Grafiken und Illustrationen, sexuell aufgeladen und bevölkert von femmes fatales, machten ihn zum Skandalkünstler der viktorianischen Epoche. Plakate gestalte er nur wenige. Diese jedoch hatten umso größeren Einfluss, besonders auf US-amerikanische Künstler. Sie zeichnen sich aus durch langestreckte Figuren, ornamentale Linienführung sowie Schwarz-Weiß-Kontraste.

Plakat für Tom Halls Gedichtband „When Hearts are Trumps“ (1894) von William BradleyKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

Dieses Motiv von William Bradley gilt als das erste US-amerikanische Jugendstilplakat. Anders als in Europa etablierten sich jenseits des Atlantiks kleinformatige Werbeblätter zur Ankündigung der Monatshefte großer Verlage. Hier wird ein Band mit Liebesgedichten von Tom Hall beworben.

Zwei Liebende, ein Satyr und eine junge Frau, werden von Weinblättern umrankt. Die zarten, mit feinen Umrisslinien gemalten Figuren sind deutlich von Beardsley inspiriert.

Plakat für die Zeitschrift „The Chap Book. Thanksgiving No.“ (1895) von William BradleyKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

Für die Chicagoer Kunstzeitschrift „The Chap Book“ entwarf William Bradley mehrere Werbeplakate. Bei dieser Thanksgiving-Ausgabe spielt er mit starken Farbkontrasten und dynamisch wirbelnden Farbmassen, die lediglich im Zusammenspiel mit den lieblichen Köpfen, Händen und Füßen der Figuren als Kleidung zu erkennen sind.

Plakat für die Kunstzeitschrift „His Book. The Kiss“ (1896) von William BradleyKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

Seine eigene Kunstpublikation „Bradley: His Book“, in der er Gedichte, Texte und Illustrationen veröffentlichte, bewarb William Bradley mit besonders prachtvollen Plakaten. Motive wie Pfauen, Mädchen und Jünglinge, mythologische Wesen und Pflanzen sind charakteristisch für den Jugendstil.

Plakat für den Fahrradhersteller „Victor Bicycles“ (1896) von William BradleyKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

Um 1900 war Fahrradfahren en vogue, nicht nur bei Männern, sondern auch bei Frauen. Es bot ihnen die Möglichkeit, sich schnell und unabhängig fortzubewegen. Als potenzielle Kundinnen werden sie auf Werbeplakaten elegant in Szene gesetzt. Die Pflanzenmotive ästhetisieren das Fahrradfahren zusätzlich.

Plakat für Louise Chandler Moultons „In Childhood’s Country“ (1896) von Ethel ReedKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

Die US-Amerikanerin Ethel Reed gehörte zu den wenigen Plakatkünstlerinnen, die internationalen Erfolg erlangten. Mitte der 1890er-Jahre gestaltete sie Werbeplakate für diverse Verlage. Am liebsten kombinierte Reed Blütenmotive mit einfühlsamen Porträts junger, teils frecher Frauen, die nicht selten auf Selbstporträts beruhten.

Plakat für die Zeitschrift „Jugend“ (1896) von Ludwig von ZumbuschKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

Zeitschriften wie „Simplicissimus“ und „Jugend“ revolutionierten im deutschen Kaiserreich die grafische Kunst und damit auch die Plakatgestaltung. Dem Magazin „Jugend“ verdankt der Jugendstil in Deutschland seinen Namen. Diese Arbeit von Ludwig von Zumbusch veranschaulicht die Ziele der Bewegung: Zwei energetische junge Frauen reißen einen greisen Mann mit sich fort, Sinnbild für das Ende überkommener Werte und Vorstellungen.

Plakat für die „Internationale Kunst-Ausstellung des Vereins Bildender Künstler München“ (1896) von Franz von StuckKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

In strenger Eleganz präsentiert sich Pallas Athena, Göttin der Weisheit und Schutzgöttin der Künste, auf diesem Plakat von Franz von Stuck. Mit dem reduzierten, klaren Stil grenzt er sich von den konservativen Werbeplakaten der wilhelminischen Zeit ab. Die griechische Göttin war ein beliebtes Motiv avantgardistischer Künstlergruppen wie der Münchener und Wiener Secession.

Ausstellungsplakat für „Darmstadt. Ein Dokument deutscher Kunst. Die Ausstellung der Künstler Kolonie“ (1901) von Peter BehrensKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

Für die Künstlerkolonie auf der Darmstädter Mathildenhöhe entwarf Peter Behrens dieses Ausstellungsplakat mit symbolträchtigem Charakter. Eine langestreckte Figur hält einen leuchtenden Edelstein empor, zu ihren Füßen liegt ein weiteres Juwel. Behrens verbildlicht damit die Vorstellung einer Veredelung des Menschen durch die Kunst.

Plakat für den Nahrungsergänzungsmittelhersteller „Tropon“ (1898) von Henry van de VeldeKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

Die Idee der Corporate Identity ist nicht ganz neu: Bereits Henry van de Velde gestaltete für die Firma „Tropon“ aus Köln-Mühlheim neben Werbeplakaten auch Verpackungen, Prospekte und Etiketten mit einem unverwechselbaren Firmenschriftzug. Dieses Plakat für das Nahrungsergänzungsmittel verbindet auf gelungene Weise industrielle Produktwerbung mit hohem künstlerischem Anspruch. Die ornamentalen Formen stellen die Trennung von Eigelb und Eiweiß dar.

Plakat für die „V. Jahr. XIII Ausstellung der Vereinigung Bildender Künstler Österreichs“ (1902) von Koloman MoserKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

Dieses Ausstellungsplakat von Koloman Moser verbildlicht das angestrebte Ideal der Wiener Secession: Die stark stilisierten Gestalten symbolisieren die Einheit der drei Künste Architektur, Malerei und Bildhauerei.

Die eleganten Schriften und verzerrten Buchstaben der Wiener Secessionisten wurden zum Vorbild psychedelischer Typografien der 1960er- und 1970er-Jahre.

Mitwirkende: Geschichte

Text: Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
Konzept, Text und Umsetzung: Justine Tutmann
Übersetzung: Ian Pepper
© Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Foto: Anna Russ, Dietmar Katz
www.smb.museum

Quelle: Alle Medien
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