Lauten und Geigen aus Füssen im Allgäu

Eine Wiege des professionellen Saiteninstrumentenbaus in Europa

Die Füssener Papiermühle (1856)Originalquelle: Museum der Stadt Füssen

Stadt der Lauten und Geigen

Füssen liegt an der Lechschlucht am bayerischen Alpenrand. Bereits im 9. Jahrhundert wurde hier eine Benediktinerabtei gegründet, das dem Heiligen Magnus geweihte Kloster St. Mang. Im 13. Jahrhundert wurde Füssen zur Stadt erhoben. 

Die Füssener Papiermühle (1856)Originalquelle: Museum der Stadt Füssen

Füssen am Lech

In der frühen Neuzeit prägte der Füssener Lautenbau die Herstellung von Saiteninstrumenten in weiten Teilen Europas. Auch heute werden hier hochwertige Geigen und Zupfinstrumente gebaut.

Rohstoffe

In den umliegenden Bergen fanden die Lautenmacher langsamwachsendes Fichtenholz, kostbares Eibenholz und Bergahorn.

Die Füssener Papiermühle (1856)Originalquelle: Museum der Stadt Füssen

Handelswege

Dank der Lage an der alten Römerstraße Via Claudia Augusta und dem Lech mit seiner florierenden Floßfahrt konnten die Lauten- und Geigenmacher ihre Instrumente direkt nach Italien oder nach Augsburg und von dort weiter in viele Städte in Mitteleuropa exportieren.

Oft ließen sich die Füssener Gesellen nach ihrer Wanderschaft als Meister an Fürstenhöfen und Handelsmetropolen nördlich und südlich der Alpen nieder.

Klima

Das raue Klima und die mageren Böden am Alpenrand beförderten ebenfalls den Instrumentenbau. In den langen Wintern mussten weitere Mittel zum Broterwerb gefunden werden. In Füssen spezialisierten sich viele Handwerker auf den Bau von hochwertigen Saiteninstrumenten.  So arbeiteten hier um das Jahr 1600 18 Lautenmacher, während die große Handelsmetropole Nürnberg nur 5 Lautenmacher zählte.

Zinsbuch des Klosters St. Mang (Ausschnitt) (1436)Originalquelle: Museum der Stadt Füssen

Erste Spuren

Die Füssener Lautenmacher lassen sich bis Jahr 1436 zurückverfolgen. In der neunten Zeile dieses Zinsbuches wird erstmals das Haus eines Lautenmachers erwähnt:
”de domo do der lautenmacher inn ist”

"de domo do der lautenmacher inn ist"

"Von dem Haus worin der Lautenmacher ist"

Theorbe von Basilio Smit (um 1650) von Basilio SmitOriginalquelle: Museum der Stadt Füssen

Nicolas Kyriakou spielt "Se io m'accorgo" von Vincenzo Galilei auf der Laute
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Die Nachfrage steigt

Im Spätmittelalter und in der Renaissance wuchs die Nachfrage nach Zupfinstrumenten erst in Italien und bald darauf auch in Deutschland.

Die Füssener Lautenmacher wurden europaweit bekannt.

Zettel mit Namen des Lautenmachers Wolfgang Wolf (um 1550) von Wolfgang WolfOriginalquelle: Museum der Stadt Füssen

Bekannt in ganz Europa

Der Engländer Thomas Hoby reiste 1548 nach Venedig und berichtete, dass in Füssen bauchige Lauten „in höchster Vollendung“ hergestellt und nach Venedig exportiert wurden. 

 Der in eine Laute aus dieser Zeit eingeklebte Zettel verkündet, wer das Instrument gebaut hat: “Wolfgang Wolf zue Fießen”. Er gehörte zu einer Füssener Lautenbaufamilie.

Knicklaute von Wolfgang Wolf (um 1550) von Wolfgang WolfOriginalquelle: Museum der Stadt Füssen

Die Älteste

Die in der Barockzeit umgebaute Renaissancelaute von Wolfgang Wolf ist das älteste Instrument in der Sammlung des Museums der Stadt Füssen.

Lautenmuschel von Wendelin Tieffenbrucker (1580) von Wendelin TieffenbruckerOriginalquelle: Museum der Stadt Füssen

Schön gestreift

Diese Lautenmuschel stammt aus der Hand von Wendelin Tieffenbrucker, der Sohn einer Füssener Lautenmacherfamilie war und in Venedig und Padua arbeitete. Die Laute wurde aus breiten Spänen von Bergahorn- und Eibenholz gefertigt, die abwechselnd angeordnet sind.

Der Lautenmacher (1574) von Jobst AmmanOriginalquelle: Museum der Stadt Füssen

Der Lautenmacher

Dieser Holzschnitt von Jobst Amman aus dem Jahr 1574 zeigt einen Lautenmacher in seiner Werkstatt.

Der Lautenmacher spaltet sein Holz auf dem Hackklotz rechts und verarbeitet es mit den Werkzeugen, die auf seiner Werkbank liegen. Mit Feuchtigkeit und Hitze bog er die Eibenspäne in eine bauchige Muschelform. Über die Lautendecke aus Fichtenholz zog er Darmsaiten auf.

Die Lautenmacherwerkstatt heute (2021)Originalquelle: Museum der Stadt Füssen

Lautenbau heute

Auch heute baut in Füssen ein Zupfinstrumentenmacher Lauten, Gitarren und Mandolinen mit den traditionellen Werkzeugen und Arbeitsschritten.

Der Füssener Totentanz (Ausschnitt) (1602) von Jakob HiebelerOriginalquelle: Museum der Stadt Füssen

Geigenbau

Die Lautenmacher bauten auch Geigen. Auf dem Füssener Totentanz von 1602 spielt der Tod dem Wirt ein Lied auf einer Viola da braccio, einer frühen Bratsche.
Für den Export wurden die Instrumente in Fässern oder in Körben verpackt.

Der Tod spielt auf

Die ”Urkatastrophe” des 17. Jahrhunderts, der Dreißigjährige Krieg, machte auch vor der Lautenmacherstadt Füssen keinen Halt. Von 1632 bis 1635 wurde die Stadt von feindlichen Truppen, Hunger und Seuchen verheert. Der Instrumentenbau kam fast völlig zum Erliegen.

Die Füssener Papiermühle (1856)Originalquelle: Museum der Stadt Füssen

Neuer Aufschwung

Im 18. Jahrhundert erhielt Füssen neuen Glanz durch den barocken Neubau des Klosters St. Mang.

Geigenbauer wie Simpert Niggel, Johann Anton Gedler und Joseph Benedikt Gedler bauten hier begehrte Instrumente ganz nach dem Geschmack der Zeit.

Violine von Simpert Niggel (1739) von Simpert NiggelOriginalquelle: Museum der Stadt Füssen

Nicolas Kyriakou und Christian Garrick spielen eine Improvisation in d- Moll Part 2
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Das neue Modeinstrument

Geigen haben f-förmige Schalllöcher in der Fichtendecke. Der geschwungene kastenförmige Korpus ist aus Bergahorn. Die Kombination aus nur vier Saiten und einem Griffbrett ohne Bünde erlaubt eine unvergleichliche Vielfalt an Klängen und Spielweisen.  In der Barockzeit  lief die im italienischen Cremona perfektionierte Geige der Laute den Rang ab.     

Druckzettel in einer Violine von Franz Geißenhof (1809) von Franz GeißenhofOriginalquelle: Museum der Stadt Füssen

Der Wiener Stradivari

Franz Geissenhof wanderte aus Füssen in die Kaiserstadt Wien aus und wurde dort mit seinen nach der Art von Antonio Stradivari gebauten Geigen berühmt.

Viola d'amore von Paul Alletsee (1727) von Paul AlletseeOriginalquelle: Museum der Stadt Füssen

Liebesgeige

Eine Besonderheit in der Familie der Geigen ist die die heute kaum noch gespielte Viola d‘amore. 
 Dieses Instrument von Paul Alletsee aus dem Jahr 1727 besitzt außer den fünf bis sieben Spielsaiten noch eine gleichgroße Anzahl von Resonanzsaiten, die nur mitschwingen  und einen besonders lieblichen Klang erzeugen. 

Amorfigur der Viola d'amore von Paul Alletsee (1727) von Paul AlletseeOriginalquelle: Museum der Stadt Füssen

Die Liebe ist blind

Besonders auffällig sind die kunstvoll geschnitzten Köpfe der Viole d‘amore am Wirbelkasten, wie hier ein Amor mit verbundenen Augen.

Druckzettel in einer Gitarre von Francois Fent (vor 1796) von Francois FentOriginalquelle: Museum der Stadt Füssen

Von Füssen nach Paris

In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts findet der Füssener Instrumentenbau in Frankreich einen Absatzmarkt. Nicht nur Geigen waren beliebt:  Der Füssener Geigenmacher Franz (Francois) Fent hat in seiner Werkstatt in Paris auch Gitarren hergestellt, wie es dieser  Zettel belegt.

Füssen: Mechanische Seilerwarenfabrik (1896) von August SplitgerberOriginalquelle: Museum der Stadt Füssen

Zeitenwende

Mit der Französischen Revolution und den darauffolgenden Kriegen fand der Geigenhandel mit Frankreich ein jähes Ende. Die Füssener Geigenbauer mussten mit Reparaturen ihr Auskommen bestreiten. 1835 gab Joseph Alois Stoß als letzter verbliebener Geigenbauer seine Gewerbelizenz zurück, weil er davon nicht mehr leben konnte.

Neuen Aufschwung erhielt Füssen erst wieder durch den Bau der bayerischen Königsschlösser in Hohenschwangau und die Ansiedlung einer Seilerwarenfabrik am Lechfall im Jahr 1861.

Füssener Lauten- und Geigenbauer heute (2017) von Kees van SurksumOriginalquelle: Museum der Stadt Füssen

Nicolas Kyriakou und Christian Garrick spielen "Der Fuggerin Tanz" von Melchior Neudsiedler
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Füssener Instrumentenbau heute

Seit 1982 haben sich wieder Geigenbauer und ein Zupfinstrumentenmacher im Füssener Land etabliert.
Zusammen mit dem Museum der Stadt Füssen pflegen sie den Ruf Füssens als eine Wiege des Lauten- und Geigenbaus und führen dieses Handwerk ins 21. Jahrhundert. 
Ihre hochwertigen Instrumente liefern sie an Kunden in der ganzen Welt.

Wellenbratsche (um 1800) von Joseph Benedikt GedlerOriginalquelle: Museum der Stadt Füssen

Mehr zum Füssener Lauten- und Geigenbau

Instrumentensammlung:
Museum der Stadt Füssen

Werkstätten in Füssen:
Georg Albeck
Pierre Chaubert
Achim Hofer
Urs Langenbacher
Gabriel Reinhold


Buch zum Thema:
"Füssener Lauten- und Geigenbau europaweit" von J. Focht, K. Martius und Th. Riedmiller, Leipzig 2017

Mitwirkende: Geschichte

Text und Redaktion: Lisa Sophie Scholl und Dr. Anton Englert, Museum der Stadt Füssen
Fotos: Museum der Stadt Füssen, Lisa Sophie Scholl
Audio:  Nicolas Kyriakou und Christian Garrick 

Quelle: Josef Focht, Klaus Martius, Thomas Riedmiller: Füssener Lauten- und Geigenbau europaweit, Friedrich Hofmeister Musikverlag, Leipzig 2017.

Quelle: Alle Medien
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