Weshalb interessierte sich da Vinci für die Kunst des Webens?
„Es steht direkt an zweiter Stelle nach dem Drucken. Es ist nicht weniger nützlich und wird nicht weniger eingesetzt. Es hat einen größeren Wert und ist die schönere und raffiniertere Erfindung.“
Wie bei vielen anderen Projekten versucht da Vinci, auch in diesem Bereich Lösungen zu finden, mit denen bestimmte Phasen der Herstellung automatisiert werden könnten. Er wollte damit nicht nur die Arbeit erleichtern und beschleunigen, sondern auch die Produktion eines der anspruchsvollsten und gleichzeitig profitabelsten Verfahren der Renaissance steigern.
Die komplizierte Herstellung von Textilien
In der Renaissance hatte sich in Florenz und vielen anderen italienischen Städten die Herstellung von Woll- und Seidenstoffen stark weiterentwickelt, obwohl die Technologien, Hilfsmittel und Prozesse seit der Antike kaum verändert wurden. Der erste Schritt bei der Herstellung von Textilien, mit Ausnahme von Seide, war das Spinnen, bei dem aus rohen Textilfasern ein Faden wurde.
Nach dem Kämmen wurde die Wolle vom Spinner mit der Hand auseinandergezogen, zum ersten Mal verdreht und auf eine Spindel gewickelt. Spindeln wurden schon seit der Jungsteinzeit (Neolithikum) für das Verdrehen und Aufwickeln von Fäden genutzt.
Anschließend konnte dieser Faden doppelt gehalten oder mit einem anderen Faden kombiniert und noch einmal verdreht werden, um die Reißfestigkeit zu verbessern. Dieser Schritt war entscheidend, insbesondere bei der Herstellung von Seidenfäden.
Bei dem darauf folgenden Weben wurden in mehr oder weniger komplizierten Verfahren die Schussfäden von einer Seite zur anderen durch die Kettfäden geführt. Zum Schluss wurden insbesondere für Wollstoffe noch weitere Schritte durchgeführt, zum Beispiel das Walken oder Schlagen des nassen Materials, um es zu verfilzen, das Imprägnieren zum Schutz vor Feuchtigkeit, das Aufrauen, um es weicher zu machen, das Kappen, um die Länge der Fasern anzugleichen, und das Färben.
Textile machinery sectionMuseo Leonardiano di Vinci
Während seiner Studien Ende des 15. Jahrhunderts betrachtete da Vinci die Probleme jeder einzelnen Phase und suchte nach Lösungen, um diesen komplizierten Herstellungsprozess zu vereinfachen.
Leonardo da Vinci, Codice Atlantico, f. 1050 rMuseo Leonardiano di Vinci
"Non ha altra fatica che a torcere il filo" (Leonardo da Vinci, Codice Atlantico, f.1050 r.)
Four spindle spinning machineMuseo Leonardiano di Vinci
Spinnmaschine mit vier Spindeln
Eine seiner Lösungen war eine Spinnmaschine mit mehreren Spindeln, die den Faden gleichzeitig verdrehen und auf die Spule aufwickeln konnte. Damit war er mal wieder seiner Zeit voraus. In England wurde ein solches System erst während der Industriellen Revolution eingeführt.
Four spindle spinning machineMuseo Leonardiano di Vinci
Die Maschine umfasst diverse Mechanismen, die eine Drehbewegung in eine geradlinige wechselseitige Bewegung umwandeln. Die vom Flügelwirtel angetriebene Spindel bewegt sich vor- und rückwärts, sodass der gesponnene Faden automatisch und gleichmäßig auf die Spule aufgewickelt wird, und dreht sich, damit der Faden verzwirnt wird.
Die Innovation besteht in der Vor- und Rückwärtsbewegung der Spindel, da so der Faden nicht manuell von einem Haken auf den Flügelarmen zum nächsten geführt werden muss. Mit diesem Modell haben die Spinner beide Hände frei und können andere Aufgaben erledigen.
Leonardo da Vinci, Codice Atlantico, f. 103 rMuseo Leonardiano di Vinci
Arretiervorrichtung für den Mechanismus zum Verzwirnen von Seitenfäden
Um die Produktivität der Textilbranche zu steigern, entwarf da Vinci einen Mechanismus zum Verzwirnen von Fäden mit einer genialen Vorrichtung zum Stoppen der Maschine im Falle eines Fadenrisses. Die Fäden wurden verzwirnt, um ihre Reißfestigkeit zu verbessern.
Arresting device for automatic silk doublersMuseo Leonardiano di Vinci
Von den Rollen oben läuft der Faden durch eine Fadenführung und wird auf eine Spule gewickelt, die sich auf einer beweglichen Stange in der Mitte befindet. Während sich die Spindel dreht, werden die verzwirnten Fäden gleichmäßig auf der Spule verteilt. Falls einer der Fäden reißt, fällt die Rolle nach hinten und die Halterung, deren Ende wie ein L geformt ist, bewegt sich zwischen die Lamellen des Mechanismus. Dadurch wird die Drehbewegung der Spindel gestoppt und es wird verhindert, dass das Gerät nur einen einzelnen Faden auf die Spule wickelt.
Dieses Konzept einer Arretiervorrichtung im Falle eines Fadenrisses, die manchmal auch Fadenwächter genannt wird, ist heute Bestandteil vieler Spinn- und Webmaschinen.
Leonardo da Vinci, Codice di Madrid I, f.65 vMuseo Leonardiano di Vinci
Per Handkurbel betriebene Maschine zum Verdrehen von Fäden
Diese Maschine wurde von da Vinci entworfen, um das Verdrehen von Fäden zu automatisieren. Diese Phase folgt auf das Verzwirnen der Textilfasern, bei dem sie reißfester gemacht werden.
Thread twisterMuseo Leonardiano di Vinci
Bei dem innovativen Gerät, das vermutlich für die Arbeit zu Hause gedacht war, musste der Spinner den Faden nicht per Hand führen. Er verteilte sich besser, sodass er keine Wulst an einer Stelle der Spule bildete.
Das große Rad wurde von einer Handkurbel angetrieben und ist durch einen Riemen mit der Achse verbunden, auf der die Rolle mit dem Faden befestigt ist.
Der Faden wird erst durch ein weiteres kleineres Rad geführt, wo er verdreht wird, und dann auf die größere Spule gewickelt. Damit der gesponnene Faden gleichmäßig aufgewickelt wird, bewegt sich die Spule vor- und rückwärts. Das ist durch ein ausgeklügeltes System möglich, das die Drehbewegung des Hauptrads in eine wechselseitige Bewegung umwandelt.
Leonardo da Vinci, Codice Atlantico, f. 985 rMuseo Leonardiano di Vinci
Automatischer Webstuhl
Von den Lösungen, die da Vinci für das mechanische Weben entwarf, ist der automatische Webstuhl vermutlich die innovativste.
Durch verschiedene Mechanismen, die über ein Antriebsrad synchron in Bewegung gesetzt werden, greifen zwei Arme abwechselnd die Spule, die den Schussfaden von einer Seite der Kettfäden zur anderen zieht. Auf diese Weise konnten schmale Webstreifen hergestellt werden.
Automatic weaving roomMuseo Leonardiano di Vinci
Da die Spule aufgegriffen und geführt wird, muss ihr Weg relativ kurz sein. Aus diesem Grund können mit dieser Art von Webstuhl nur schmale Bänder mechanisch hergestellt werden.
Zwischen dem Ende des 17. und der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde diese Lösung da Vincis für die mechanischen Webstühle der Franzosen Jean Baptiste De Gennes und Jacques Vaucanson übernommen.
Leonardo da Vinci, Codice Atlantico, f. 0029 rMuseo Leonardiano di Vinci
Goldschläger
Da Vinci entwarf mehrere Lösungen, um das Schlagen von Edelmetallen zu automatisieren, also die Arbeit von Goldschlägern, die Gold und Silber in ihrem Atelier so lange bearbeiteten, bis daraus hauchdünne Blätter wurden. Dieses Blattgold und -silber wurde dann für die Herstellung von Fäden aus Edelmetallen, für das Vergolden von Rahmen oder für Gemälde genutzt.
Automatic gold beating machine Automatic gold beating machineMuseo Leonardiano di Vinci
Einer seiner bemerkenswertesten Entwürfe ist der mechanische Goldschläger. Das Gerät wurde über ein Antriebsrad gestartet, das mehrere synchronisierte Geräte und automatisierte Mechanismen aus Seilzügen, Zahnrädern und Gegengewichten in Bewegung setzte. Das zu bearbeitende Metall wurde über die Bodenplatte des Goldschlägers bewegt. Dort wurde es von einem Hammer geschlagen, der über eine Vorrichtung gesteuert wurde, die mit dem oberen Teil der Maschine verbunden war.
Da Vinci wollte den Goldschläger vermutlich für die Herstellung von Fäden nutzen, die aus mit Silber- oder Goldstreifen umwickelter Seide bestehen.
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