Franklinia alatamaha (2003) von Herbarium Senckenbergianum Frankfurt/M.Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt, Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung

Ein Herbarium ist eine geordnete Sammlung getrockneter Pflanzen und Pflanzenteile. Auf Papierbögen montiert dienen diese als Grundlage für wissenschaftliche Forschungen und zur Dokumentation der Flora.

Double folio from a Kitab-i hasha'ish (The book of herbs) (Manuscript dated September 1595)Smithsonian's National Museum of Asian Art

Was kam vor den Herbarien

Die Vorgänger des Herbariums waren die vor allem im Mittelalter entstandenen Kräuterbücher. Hier handelte es sich um eine Sammlung des Wissens zu Heilkräutern, meist auch illustriert. Hildegard von Bingen zum Beispiel machte sich als Klostermedizinerin und Universalgelehrte im 12. Jahrhundert einen großen Namen. Sie entwickelte ihre eigene Heilkunde, die altes Klosterwissen mit ihren persönlichen Erfahrungen kombinierte. Eine ihrer Veröffentlichungen war das Kräuterbuch "Causae et Curae", in der sie verschiedene Krankheiten und die entsprechenden Heilkräuter beschrieb.

Vitruvianischer Mensch (2007) von Luc Viatour / https://Lucnix.beSenckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt, Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung

Die Erfindung des Herbariums

Die Renaissance trug auch in der sich von einer Hilfswissenschaft der Heilkunde emanzipierenden Botanik zu Neuerungen bei. Es stand nicht mehr lediglich die Nutzanwendung der Pflanzen im Vordergrund, die oftmals aus antiken Quellen übernommen worden war, sondern die genaue Beobachtung und der Versuch der Beschreibung und Klassifizierung. Die Darstellung wurde immer detailgetreuer und naturalistischer bis man schließlich beschloss, die Pflanzen selbst zu sammeln und zu konservieren.

Portraitvon Luca Ghini (1550/1560) von Orto e Museo Botanico, Sistema Museale di Ateneo, Università di Pisa.Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt, Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung

Als Erfinder des Herbariums im engeren Sinne gilt der italienische Arzt und Botaniker Luca Ghini. Er unterrichtete an der Universität von Pisa und gründete hier im Jahre 1544 den ersten botanischen Garten. Obwohl er selbst nichts veröffentlichte, inspirierte er einige seiner Schüler dazu, Herbarien anzulegen. Diese zwischen 1530 und 1545 entstandenen Herbarien werden als die ältesten erhaltenen Beispiele angesehen.

Herbar Huth (1713) von Sven Tränkner, Senckenberg Gesellschaft für NaturforschungSenckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt, Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung

Das Herbarium des Johann Philipp Huth von 1713 mit Pflanzen aus der Wetterau.

Frühlings-Adonisröschen (1713) von Foto: S. Tränkner, Senckenberg Gesellschaft für NaturforschungSenckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt, Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung

Kuratieren eines Herbariums

Bei der langfristigen Erhaltung eines Herbariums sind besonders drei wichtige Schadensquellen zu beachten. Licht führt zu einem Verblassen der Blüten- und Blätterfarben und zur Papierschädigung, Wasser führt zur Zerstörung durch Schimmel und zum Verlaufen von Tinten, Insekten fressen die Pflanzen und Pilze.

Adonis vernalis (Frühlings-Adonisröschen (1979) von Herbarium Senckenbergianum Frankfurt/M.Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt, Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung

Zum Erhalt der Blütenfarbe sollte das Exemplar so schnell wie möglich getrocknet werden. Das Papier sollte während der Trocknung einige Male ausgetauscht werden, damit kein Schimmel entsteht.

Frühlings-Adonisröschen (1713) von Foto: S. Tränkner, Senckenberg Gesellschaft für NaturforschungSenckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt, Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung

Direkt nach dem Fixieren beugt die Nutzung eines Insektizids einem Schädlingsbefall vor. Schonender ist die Desinfektion des befallenen Herbarbogens durch Einfrieren bei mindestens -18°C.

Herbarium Senckenbergianum (2018) von Sven Tränkner, Senckenberg Gesellschaft für NaturforschungSenckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt, Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung

Idealerweise werden Herbarien bei einer Luftfeuchtigkeit von 45 % - 55 % und einer Temperatur von 18 - 22°C in Metallregalen oder geschlossenen Metallschränken aufbewahrt. Vor direktem Sonnenlicht sollten die Exemplare unbedingt geschützt werden.

Das DNA-Labor am Senckenberg Institut Frankfurt von Sven Traenkner, Senckenberg Gesellschaft für NaturforschungSenckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt, Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung

Zeitreise in die Vergangenheit

Auch in der Genomik sind die Herbarien der letzten Jahrhunderte von Bedeutung. Durch Genomsequenzierung ist es möglich, Genome aus den gesammelten Organismen zu rekonstruieren. Dies gibt zuvor unbekannte Hinweise zur globalen Biodiversität der letzten 450 Jahre und erschließt völlig neue Forschungsfelder. Ein Beispiel hierfür ist die Analyse von Pflanzenepidemien der Vergangenheit. Durch die Untersuchung historischer Proben kann man genügend Information gewinnen, um gegen zukünftige Epidemien zu rüsten.

Kartoffelfäule (2017-01-01) von Senckenberg Gesellschaft für NaturforschungSenckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt, Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung

Ein Beispiel einer solchen Epidemie, an der heute noch geforscht wird, ist die Kraut- und Knollenfäule der Kartoffel, für die der Erreger Phytophthora infestans verantwortlich ist. Diese hat die Hungersnot des 19. Jahrhunderts in Irland ausgelöst, an der über 1 Millionen Menschen gestorben sind.

Franklinia alatamaha (2003) von Herbarium Senckenbergianum Frankfurt/M.Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt, Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung

Auch das Aussterben bestimmter Pflanzenarten, wie diese Franklinia alatamaha können Wissenschaftler mit Hilfe der vorhandenen Herbarien besser nachvollziehen.

Historisches Herbarium (1713) von Sven Tränkner, Senckenberg Gesellschaft für NaturforschungSenckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt, Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung

Die Zukunft des Herbariums

modern herbarium (2018) von Sven Tränkner_Senckenberg Gesellschaft für NaturforschungSenckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt, Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung

Die Nutzung von Herbarien hat sich in den letzten Jahren grundlegend verändert. Im Zeitalter der Digitalisierung greift man auf moderne Methoden der Datenspeicherung zurück. Es gibt zahlreiche Online-Herbarien, die regionale oder auch exotische Floren umfassen. Fotos der Objekte und Etikettendaten bieten umfangreiche Informationen, die für alle frei zugänglich sind.

Pfeilkresse (1953) von Foto: S. Tränkner, Senckenberg Gesellschaft für NaturforschungSenckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt, Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung

Veränderung der Ökosysteme

Die vor Hunderten von Jahren angelegten Herbarien haben noch heute einen großen Wert für die Wissenschaft. Forscher nutzen sie unter Anderem zur Untersuchung der Veränderung von Ökosystemen. Da bei jedem Exemplar Datum, aber auch Fundort bekannt sind, lässt sich die frühere Verbreitung einer Pflanzenart rekonstruieren, auch wenn sie sich inzwischen verändert hat. Dies gibt Forschern eine bessere Kenntnis der früher vorherrschenden Vegetation und ermöglicht somit Rückschlüsse auf Veränderungen des Ökosystems.

[Leavenworth, Lawrence, and Galveston Railroad Bridge across the Kaw River at Lawrence, Kansas] (1867) von Alexander GardnerThe J. Paul Getty Museum

Der Bau der Eisenbahn im 19. Jahrhundert trug viel zur Verbreitung verschiedener Pflanzenarten (z.B. der Pfeilkresse) bei. Dies können Forscher anhand der Fundorte der Exemplare und deren Datierung feststellen.

Mitwirkende: Geschichte

Alle Dokumente und Fotos soweit nicht anders angegeben: Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung
Text und Objektauswahl: Sophie Winterwerb (Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung)
Mitarbeit: Philipe Havlik, Stefan Dressler, Sven Tränkner (Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung)
Übersetzung: Sophie Winterwerb (Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung)

Quelle: Alle Medien
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