Die Grisaille-Tafel „Die heilige Märtyrerin“ entstand als Gegenstück zur Tafel „Die heilige Elisabeth von Thüringen“, ebenfalls in der Karlsruher Kunsthalle.
Bis heute kann die junge Heilige nicht zweifelsfrei zugeordnet werden – vermutet wird eine Darstellung der heiligen Barbara oder der heiligen Lucia. Der große Palmenzweig in ihrer rechten Hand weist sie als Märtyrerin aus. Mit seligem Lächeln schaut sie sich um und presst mit der Linken das geraffte und plissierte Übergewand an ihren Körper, sodass ein Stück ihres Kleides mit einem breiten Pelzbesatz sichtbar wird. Sie steht in einer Nische, die oben von Jungfernreben geschmückt wird und am Boden von Gräsern und Pflanzen bedeckt ist. Ihre offenen Locken wehen nach rechts und deuten einen Windstoß an, von dem sie erfasst wird.
Seit dem frühen 15. Jahrhundert schmücken Grisaillen, die auch als Ton-in-Ton-Malereien bezeichnet werden, die Außenseiten gotischer Altarflügel. Meist geben sie in illusionistischer Weise Steinfiguren von Heiligen in Nischen wieder. Grünewalds Grisaille-Heilige wirken jedoch trotz der Farblosigkeit wie von Leben erfüllt.
Die Karlsruher Grisaille-Tafeln bildeten die untere Hälfte von zwei Standtafeln des sogenannten Heller-Altars in der Frankfurter Dominikanerkirche, benannt nach seinem Stifter Jakob Heller. Die oberen Teile der Tafeln zeigen die Heiligen Laurentius und Cyriacus und befinden sich heute als Leihgabe des Historischen Museums Frankfurt im Städel Museum in Frankfurt. Das Mittelbild des Altars sowie das drehbare Flügelpaar und den Entwurf zum Rahmen hatte Albrecht Dürer geliefert. Zwischen 1613/14 und 1679 sowie 1742 wurde der Altar teilweise zerstört. Grünewalds Heiligentafeln wurden zersägt und gelangten in verschiedene Sammlungen.