Das „Ungleiche Paar“ taucht in Hans Baldung Griens Schaffen mehrmals auf. Schon 1507 verwendete er das Motiv, das seine Wurzeln in der antiken Dichtung hat, in einem Kupferstich. Mit dem Aufgreifen des Themas für ein Tafelbild überführte er es aus dem eher populären Bereich des druckgrafischen Mediums in die exklusivere Sphäre der Malerei, die von vermögenden Kunstkennern und Sammlern, die ein Unikat zu schätzen wussten, bevorzugt wurde.
Anders als in bekannten Darstellungen des Motivs von Lucas Cranach, wirkt die junge Schöne merkwürdig passiv und bleich. Sie lächelt nicht, ihr Blick geht ins Leere und sie sitzt auf dem Schoß des alten, deutlich dominanteren Mannes, der sie umarmt. Die wie elektrisiert zu Berge stehenden Haare, der stiere Blick und die geschwollenen Adern an Schläfe und Hals bringen seine triebhafte Vitalität zum Ausdruck. Er ist in allem gegensätzlich zu ihr, und doch gibt es eine farbliche Verbindung: Sein Hemd ist im selben dunklen Rotton gehalten wie ihre den Schoß bedeckende Schürze. Hier liegen, an den antiken Danaë-Mythos erinnernd, die goldenen Münzen, und hierhin zielt die Absicht des Mannes, wie seine rechte Hand unterstreicht.
Die junge Frau ist vermutlich keine Verführerin und keine Hure. Vielmehr dürfte es sich um die Ehefrau des Mannes, eine „gekaufte“ Frau aus armer Familie, handeln. Sie ist möglicherweise schwanger. Nicht nur der gewölbte Bauch, sondern auch das Fruchtbarkeit symbolisierende Granatapfelmuster auf dem Damastkleid deuten darauf hin.
In seinem Lob der Torheit, erstmals 1511 erschienen, spottete Erasmus von Rotterdam über die „grabeswürdigen Greise“, die schon bald ihren eigenen Leichenschmaus einnehmen könnten, stattdessen aber „mit einer jungen, zarten und völlig mitgiftlosen Frau“ Hochzeit feierten. Zum Ideal ehelicher Harmonie gehörte für Erasmus eine gewisse Gleichheit der Partner. Mit psychologischem Einfühlungsvermögen und geradezu erschütterndem Ernst hat Baldung hier die Ungleichheit gestaltet. Er schuf dadurch ein in seiner Zeit singuläres, bis heute beeindruckendes Werk.
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