Für die deutsche und internationale Sozialdemokratie spielte der Kampf gegen den Krieg von Anfang an eine bedeutende Rolle. Die Kongresse der II. Internationale trafen stets auch wichtige Beschlüsse gegen die Aufrüstung, die Kriegshetze und die Kriegspläne der Regierungen. Die konkreten internationalen und nationalen Bedingungen hielten dann jedoch die Führer der Sozialdemokratie davon ab, diese Beschlüsse in ihrer Politik umzusetzen, was letztendlich auch zur Spaltung der Sozialdemokratie und Schwächung der Positionen der Arbeiterbewegung im Kampf gegen Militarismus und Krieg führte.
Im Folgenden sollen einige Dokumente und Fotos v.a. aus Beständen und Sammlungen der Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv dazu vorgestellt werden. Die meisten Quellen zur Arbeiterbewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts befinden sich in Nachlässen, darunter in denen von Franz Mehring, August Bebel, Karl Kautsky, Hermann und Käthe Duncker, Rosa Luxemburg, Clara Zetkin, Karl Liebknecht, Wilhelm Pieck, Jacob Walcher und Wilhelm Eildermann sowie in den Beständen RY 20 - Sozialdemokratische Partei Deutschlands, RY 19 - Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands und den Sammlungen SgY 1 - Flugblattsammlung, SgY 30 - Sammlung Erinnerungen, BildY 1 - Bildsammlung der SED und BildY 10 - Biographische Bildsammlung. In der Bibliothek der Stiftung findet man zudem Zeitungen und Publikationen der Sozialdemokratie, der II. Internationale und des Spartakusbundes sowie die “Gesammelten Werke” bedeutender Führer der deutschen und internationalen Arbeiterbewegung aus dieser Zeit.
Schrift "Militarismus und Antimilitarismus" | BArch, Bibliothek 49/5089
Im Februar 1907 erschien von Karl Liebknecht “Militarismus und Antimilitarismus unter besonderer Berücksichtigung der internationalen Jugendbewegung”. Liebknecht verallgemeinert darin die Kampferfahrungen der internationalen anti-militaristischen Bewegung und begründet vor allem auch die Notwendigkeit einer speziellen antimilitaristischen Agitation und Erziehung der proletarischen Jugend.
Internationaler Sozialistenkongress in Stuttgart im August 1907 | BArch Bild Y 1-953/84
Der Internationale Sozialistenkongress tagte vom 18. bis 24. August 1907 in Stuttgart. Es nahmen 884 Delegierte aus 25 Ländern teil. Laut Tagesordnung wurde u.a. über den Militarismus und die internationalen Konflikte beraten. In der vom Kongress verabschiedeten Resolution dazu heißt es:
“Droht der Ausbruch eines Krieges, so sind die arbeitenden Klassen und deren parlamentarische Vertretungen in den beteiligten Ländern verpflichtet, [...] alles aufzubieten, um durch die Anwendung der ihnen am wirksamsten erscheinenden Mittel den Ausbruch des Krieges zu verhindern. [...]
Falls der Krieg dennoch ausbrechen sollte, ist es die Pflicht, für dessen rasche Beendigung einzutreten und mit allen Kräften dahin zu streben, die durch den Krieg herbeigeführte wirtschaftliche und politische Krise zur Aufrüttelung des Volkes auszunutzen und dadurch die Beseitigung der kapitalistischen Klassenherrschaft zu beschleunigen.”
Clara Zetkin | BArch Bild Y 10/12608
Manuskript für einen Artikel von Clara Zetkin vom 2. September 1907 über den Internationalen Sozialistenkongress in Stuttgart | BArch NY 4005/ 29
Akte des Oberreichsanwaltes in der Strafsache gegen Karl Liebknecht | BArch R 3003/C 3/07
Im Oktober 1907 fand der Prozess gegen Karl Liebknecht vor dem Reichsgericht Leipzig wegen der Herausgabe der Schrift “Militarismus und Antimilitarismus unter besonderer Berücksichtigung der internationalen Jugendbewegung” statt. Karl Liebknecht wurde wegen Hochverrats zu einem Jahr und sechs Monaten Festungshaft verurteilt.
Rosa Luxemburg, um 1911 | BArch BildY 10-15674
Rosa Luxemburg gehörte zu den entschiedensten Kämpfern der Sozialdemokratie gegen Militarismus und Krieg. Ihre umfangreiche publizistische Tätigkeit nutzte sie, um von der Führung der Sozialdemokratie eine konsequente Haltung gegen den Militarismus einzufordern, die Massen über Ursachen und Hintergründe internationaler Konflikte aufzuklären, die Missstände in der Armee anzuprangern und um zum Kampf mit allen Mitteln gegen die Kriegstreiber aufzurufen. Nach Beginn des Ersten Weltkrieges gehörte sie zu den Mitbegründern der Gruppe Internationale und des Spartakusbundes.
Artikel Rosa Luxemburgs in der Leipziger Volkszeitung zur Parlamentsdebatte gegen den Militarismus im Wahlkampf der SPD vom 6. Mai 1911 | BArch, Bibliothek ZD 336a
Aufruf zur Antikriegskundgebung im Vorwärts vom 3. September 1911 | Vorwärts, Ausgabe vom 3.9.1911 | BArch, Bibliothek ZD 1301-a
Karl Liebknecht auf der Friedenskundgebung in Berlin-Treptow am 3. September 1911 | BArch BildY 1/1117/68
Extraausgabe des Vorwärts mit Bericht über die bis dahin größte Antikriegskundgebung in Deutschland | Vorwärts, Ausgabe vom 4.9.1911 in: BArch, Bibliothek ZD 1301-a
Die Berliner Sozialdemokraten riefen am 3. September 1911 zur Demonstration im Treptower Park “Gegen die Kriegshetze! Für den Völkerfrieden!” auf. Auslöser der europaweiten Protestkundgebungen war die “Zweite Marokkokrise”, die die Gefahr eines Weltkrieges in das Bewusstsein der Bevölkerung rückte. Die Extraausgabe des Vorwärts vom 4. September berichtete und konstatierte zu der Massenkundgebung: “dem Krieg erklärte sie den Krieg”.
Flugblatt mit Erklärung zur Ablehnung der Kriegskreditvorlage durch Karl Liebknecht im Reichstag am 2. Dezember 1914 | BArch SgY 2/V D.F. V/14 fol. 1
Am 1. August 1914 befahl Kaiser Wilhelm II. die Mobilmachung des deutschen Heeres und der Kaiserlichen Marine. Deutschland erklärte Russland und am 3. August 1914 Frankreich den Krieg. Am 4. August 1914 stimmte die sozialdemokratische Reichstagsfraktion für die Kriegskreditvorlage. Die linke Minderheit, die sich auf die Beschlüsse der II. Internationalen berief, musste sich dem Fraktionszwang ergeben.
Bei der Beratung über die zweite Kriegskreditvorlage im Deutschen Reichstag stimmte Karl Liebknecht als einziger Abgeordneter im Deutschen Reichstag dagegen. Die Erklärung zur Ablehnung wurde als Flugblatt verbreitet und galt als ein eindeutiges Kampfsignal für die deutsche und internationale Arbeiterbewegung.
Karl Liebknecht als Soldat, 1915 | BArch BildY 10-13702
Am 7. Februar 1915 wurde Karl Liebknecht als Armierungs-soldat zum Militärdienst eingezogen. Damit war ihm bis auf die Teilnahme an den Sitzungen des Reichstages und des preußischen Abgeordnetenhauses jegliche politische Betätigung verboten.
Flugblatt 2 1/2 Jahre Zuchthaus | BArch SgY 2/V D.F. V/14 fol. 21
Am 1. Mai 1916 rief Karl Liebknecht in einem Flugblatt die Arbeiter zu einer Demonstration auf dem Potsdamer Platz auf. Liebknecht forderte: “Nieder mit dem Krieg!”, “Nieder mit der Regierung!” Liebknecht wurde verhaftet und am 28. Juni durch das Kommandanturgericht wegen Hochverrats verurteilt.
Flugblatt "Bilder ohne Worte" | BArch SgY 2/ V D.F. V/14 fol. 36
Hermann Duncker als Soldat | BArch BildY 10-803/73
Durch Inhaftierung und Verurteilung bzw. durch Mobilmachung derjenigen, die sich offen gegen den Krieg auflehnten, versuchte die Führung vergeblich, die Ruhe "im eigenen Haus" zu bewahren. Hermann Duncker zum Beispiel war am 25. August 1915 eingezogen worden. Bereits 1896 wurde er nach mehreren vorangegangenen Musterungen endgültig zurückgestellt. Die Tatsache, dass er nun mit 40 Jahren und trotz seines stark eingeschränkten Sehvermögens eingezogen wurde, zeigt, wie versucht wurde, bekannte Kriegsgegner von weiteren Aktivitäten gegen den Krieg abzuhalten.
Brief von Hermann an Käthe Duncker über seine Mobilmachung vom 27. August 1915 | BArch NY 4445/ 132
Flugblatt "Warum" | BArch SgY 2/ V D.F. V/11
Brief von Käthe Duncker an ihren Mann Hermann Duncker vom 9. Februar 1917 | BArch NY 4445/ 137
Die Verschlechterung der Lage der Bevölkerung zur Jahreswende 1916/17 führte in den ersten Monaten des Jahres 1917 zu zahlreichen Lebensmittelunruhen, Streiks und Demonstrationen in ganz Deutschland. Die wachsende Opposition innerhalb der SPD und der Ausschluss der Opposition um Hugo Haase und Georg Ledebour aus der sozialdemokratischen Fraktion führte im April 1917 in Gotha zur Gründung der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei. Die Spartakusgruppe schloss sich unter Wahrung ihrer politisch-ideologischen Selbständigkeit der USPD an. Tausende oppositionell und revolutionär gesinnte Sozialdemokraten sahen in der Gründung der USPD den endgültigen Bruch mit den “Sozialchauvinisten” und traten in den kommenden Monaten in die USPD ein. Gemeinsam mit den Anhängern der Spartakus-gruppe organisierten sie in der Folge Massenaktionen gegen den Krieg.
Adolph Hoffmann, Vertreter des linken Flügels der SPD und Mitbegründer der USPD, auf einer Massenkundgebung aus Anlass des deutschlandweiten Munitionsarbeiterstreiks Ende Januar 1918 in Berlin | BArch BildY 1-1533/67
Flugblatt der Spartakusgruppe zur revolutionären Beendigung des Krieges unter dem Eindruck des Separatfriedens von Brest-Litowsk, März 1918 | BArch SgY 2/V D.F.V/14 fol. 12
Quellen in der Ausstellung—BildY 1 Bildsammlung der SED | Bild Y 10 Biografische Fotosammlung | SgY 2 Flugblattsammlung | NY 4005 Nachlass Clara Zetkin | NY 4445 Nachlass Hermann und Käte Duncker | R 3003 Oberreichsanwalt beim Reichsgericht
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