An der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert zeigt die Kunst Francisco Goya y Lucientes neue, in die Moderne führende Wege der Gestaltung auf. Seine Werke machen das äußere Leiden des Menschen ebenso sichtbar wie seine innere Zerrissenheit.
Tief gebeugt schleppt ein Mann einen leblosen nackten Körper auf seinem Rücken durch die brütende Hitze. Der verdrehte Kopf, die ausgekugelten Arme und die hängenden Beine des Getragenen verdeutlichen, dass es sich hier nicht um einen Verletzten, sondern um einen Leichnam handelt. Wunden und Blutspuren verweisen dabei auf einen gewaltsamen Tod.
Die Zeichnung fügt sich formal und thematisch in den Kontext des ehemaligen Skizzenbuchs, aus dem das Blatt stammt. Der über siebzigjährige Künstler arbeitete damals an seiner berühmten Radierfolge „Los desastres de la Guerra“ (Die Schrecken des Krieges), die erst lange nach seinem Tod veröffentlicht werden konnten. Auf dem Karlsruher Blatt reduziert er die Darstellung der beiden Männer auf das Wesentliche und schafft damit ein Bild absoluter Trostlosigkeit. Seine Ausdrucksweise ist unsentimental – ein typisches Merkmal seiner Kunst.
Das Motiv wurde ohne Vorzeichnung direkt mit dem Pinsel ausgeführt, Goya war sich seiner Sache sicher. Im ersten Schritt legte er die Umrisse der Komposition und leichte Schattierungen in Zartbraun an. Danach fügte er die Binnenzeichnung und die Halbschatten in einem etwas dunkleren Graubraun hinzu und zuletzt überging er die Darstellung in einem rötlichen Dunkelbraun. Diese Überlagerung verschiedener heller und dunkler Brauntöne lässt die Zeichnung lebendig und farbig wirken.
Bei dem vorliegenden Blatt handelt es sich um eine Zeichnung, die lange als verschollen galt. Sie wurde in einem französischen Auktionskatalog von 1877 unter dem Titel „Le transport d’un blessé“ – Der Transport eines Verwundeten – gelistet, was der Beschriftung am unteren Rand entspricht. Aufgrund der Zeichenweise und der noch vorhandenen alten Nummerierung konnte die Zeichnung als Blatt 52 des sogenannten „Album F“ identifiziert werden, dessen Werke vorwiegend zwischen 1815 und 1820 entstanden. Das „Album F“ enthielt wahrscheinlich 106 Blätter, von denen bisher 88 bekannt sind.