Das tonnenförmige Gefäß von blauer Farbe zeigt über einem Zackenband einen Fries von Relieffiguren, die oben an der Mündung unvermittelt in rundplastische Büsten bzw. Köpfe übergehen. Diese blicken nach innen und rahmen die Öffnung, die ursprünglich von einem in einer Nut liegenden Deckel verschlossen wurde. Die Darstellung zeigt zwei Paare von nach rechts schreitenden Menschen, bei denen der Unterkörper im Profil, der Oberkörper von hinten zu sehen ist. Zwischen ihnen ist je ein nach links laufender Stier eingeschoben, der den rechten Vorderlauf erhebt. Der – heute kopflose – Stier steht zusätzlich vor einem Palmettenbaum mit eigenartig eingedrehten Voluten, so dass er aus Platzmangel – anders als sein Gegenstück – einen sehr gedrungenen Körperbau erhielt und den rechten Vorderlauf stärker anhob. Möglicherweise ist die Einfügung des Baumes also als Planänderung im Laufe des Entwurfsprozesses zu verstehen. Die menschlichen Gestalten tragen je ein bis zum Knöchel reichendes, hinten längeres Gewand, das von einem breiten, dreigeteilten Gürtel zusammengehalten wird. Sein langes Ende fällt vorne herunter. Die inneren Arme hängen bei jedem Paar am Körper herunter, während von den äußeren die Unterarme vollplastisch auf den Rand des Gefäßes gelegt waren. Bei einer Figur ist er – ausgestreckt in Richtung des erhaltenen Stierkopfes – noch erkennbar. Allerdings fehlt für den Unterarm der Figur unmittelbar vor dem Stierkopf wiederum der Platz. Entweder führte er zur Fehlstelle am Ohr des Stieres oder war nie vorhanden. Die Oberkörper der Figuren haben deutlich angegebene Brüste, eine trägt zusätzlich eine Halskette. Die relativ gedrungenen und breiten Köpfe mit ehemals eingelegten Augen besitzen bis zum Kinn reichende Frisuren, die die großen Ohren freilassen und an ägyptische ›Etagenperücken‹ erinnern. Die Frage nach dem Geschlecht der Dargestellten wurde bisher kontrovers beantwortet. Aufgrund der hinten längeren Gewänder mit Gürtel, die im Vorderen Orient ursprünglich wahrscheinlich von göttlichen Frauen getragen wurden, dürften jedoch vier Frauen gemeint sein.
An dem Gefäß ist schon das Material ungewöhnlich, das in Etrurien nicht verarbeitet wurde: Es handelt sich um Ägyptisch Blau, ein Kupfer-Calcium-Tetrasilicat (Ca- CuSi4O10), das erst synthetisch hergestellt werden musste, bevor es mit organischen Materialien verknetet und dann wie eine Keramik weiterverarbeitet und gebrannt werden konnte. Die Technik war in Vorderasien und Ägypten seit der zweiten Hälfte des 2. Jahrtausends v. Chr. bekannt.
Auch die Darstellung verwendet Motive aus dem Vorderen Orient, so dass man immer an eine Herstellung in Syrien oder im phönizischen Raum gedacht hat, wo Einflüsse aus Ägypten und Vorderasien zusammenkamen. Allerdings bereiten die ikonographischen Merkmale große Schwierigkeiten: Die Gefäßform ist im Vorderen Orient ohne wirkliche Parallelen. Das Motiv der Tiere neben einem Palmettenbaum kommt dort nur als symmetrische Anordnung von antithetischen Tieren mit dem »Lebensbaum« in der Mitte vor. Allerdings ist es für Stiere nicht üblich. Die Interaktion der Frauen und der Stiere bleibt unklar und besitzt keine Vergleiche in der vorderorientalischen Ikonographie. Auch was den Stil angeht, bleiben Unklarheiten, die eine Herstellung in Nordsyrien ausschließen und höchstens in den syrisch-phönikischen Raum weisen, in dem auch Einflüsse aus Ägypten auftreten (Mischstil, »Intermediate«). Vorderorientalische Elfenbeinarbeiten stellen die nächsten Vergleiche für das Stück dar. Nach Dirk Wicke lässt sich jedoch eine Fülle von ›Missverständnissen‹ aufzeigen, die eine Herstellung im Vorderen Orient seiner Meinung nach eher unwahrscheinlich machen.
Da eine Produktion in Etrurien m. E. schon aufgrund des Materials ausscheidet, kann man nur mutmaßen, dass das Gefäß als etruskische Auftragsarbeit im Osten hergestellt wurde und bestimmte orientalisch aussehende Motive enthalten sollte, oder dass ein Handwerker aus dem Westen im phönizischen Raum das Material und seine Verarbeitung kennenlernte, aber die ikonographischen Schemata nicht genau befolgte. Dass etruskische Käuferwünsche durchaus Einfluss auf die Gestaltung der Produkte nahmen, lässt sich beispielsweise bei attischer Keramik aus dem 6. Jahrhundert v. Chr. belegen: Die Töpfer in Athen übernahmen z. B. bei der ›Nikosthenischen Amphora‹ und dem ›Stamnos‹ etruskische Gefäßformen, versahen sie aber mit schwarz- und rotfigurigen Bildern, um ihren Export nach Etrurien zu befördern.
DieetruskischeOberschicht,etwainVulci,Tarquiniaund Caere/Cerveteri, aber auch in Palestrina, hatte im späten 8. und 7. Jahrhundert v. Chr. großes Interesse an Luxus- gütern aus dem Orient und aus Ägypten, die sie durch den Handel mit den Phöniziern kennengelernt hatte. So enthielten mehrere sehr reiche Fürstenbestattungen aus dieser Zeit Importe aus dem Osten, darunter das sog. Isisgrab in Vulci, dessen Inventar leider nach seiner Auffindung zerstreut wurde. Es barg unter anderem auch mehrere sog. Neujahrsflaschen aus Fayence (heute im British Museum), die als ägyptische Erzeugnisse verstanden werden.
Welche Funktion unsere Pyxis in dem Grab in Vulci ge- habt hat, bleibt – wie so vieles andere – unklar. Vielleicht diente sie als Kosmetikbehälter für eine verstorbene Frau. Auf jeden Fall war sie ein außergewöhnliches und deshalb extravagantes Luxusgut, auf das die Besitzer stolz waren.