In sehr flachem, künstlerisch nicht sonderlich anspruchsvollem Relief erscheint Dionysos hier vor uns. Deutlich sind dem Weingott die Folgen übermäßigen Genusses seines eigenen Getränkes anzumerken: Den Kantharos in der Rechten, den Thyrsosstab in der Linken, sitzt der mit Chiton und Himation bekleidete Gott halb ausgestreckt im Damensitz auf dem Rücken eines Maultiers, den bärtigen Kopf im Rausch auf die linke Schulter gelegt. Ohne den Silen aus seinem Gefolge, der ihn mit beiden Armen aufopferungsvoll umfasst und stützt, würde er sich auf dem Tier gar nicht halten können. Die typischen Züge des Silens – runzlige Stirn, Stupsnase, buschiger Pferdeschweif – sind auch in dem unscharf konturierten Relief noch gut zu erkennen, wohingegen die Silen- und Maultierbeine sowie der dünne Maultierschwanz nur bei genauerem Hinsehen richtig zuzuordnen sind. Auch die Details in der linken Reliefhälfte sind nicht leicht zu lesen: Auf den ersten Blick scheint der nackte Knabe das Maultier am Zügel zu führen. Oberhalb der Maultierschnauze ist jedoch eine züngelnde Flamme zu erkennen. Dies deutet darauf hin, dass der Junge eher eine Fackel in der Rechten hält. Demnach spielt sich das Geschehen nachts ab und Dionysos befindet sich offenbar auf dem Heimweg vom Symposion.
Die nach ihrem vermeintlichen Haupt-Produktionszentrum, der Kykladeninsel Melos, benannten Reliefs dieser Gattung sind auch andernorts hergestellt worden, so in Athen und Attika. Die Zeitspanne der Produktion umfasst wenig mehr als ein halbes Jahrhundert, etwa 500 bis 440 v. Chr. Beliebte Themen sind Darstellungen aus der Mythologie – Orest und Elektra, Aias und Kassandra, Odysseus und Penelope, Helle auf dem Widder –, auch Mischwesen wie Sirenen, Sphingen und die Gorgonen kommen häufig vor. Wesentlich seltener sind hingegen Bilder der olympischen Götter, und das vorliegende Exemplar ist das einzige des Dionysos. Eine der wichtigsten Funktionen war mit Sicherheit die als Votivgabe in Heiligtümern, wobei die Täfelchen an Schnüren oder mittels Nägeln aufgehängt oder einfach an Wände gelehnt wurden. Auch als Grabbeigaben sind sie belegt, während eine dekorative Verwendung im Wohnbereich bislang nur hypothetisch postuliert werden kann.