Dargestellt ist eine junge Frau mit einer glatten, ebenmäßigen Physiognomie und ovaler Kopfform. Aus Wangenpartie, Augen und dem kleinen Mund ergibt sich eine insgesamt harmonische Gesichtsbildung. Die Frisur ist gekennzeichnet durch das über der Stirnmitte gescheitelte, sanft gewellte Haupthaar, welches an den Seiten zu je einem Zopf zusammenfasst und im Nacken zu einem festen und kleinen Knoten gebunden ist. Als weitere Zutat erscheint über der Stirn ein aus insgesamt zehn kleinen eingedrehten Strähnen bestehender Löckchenkranz. Vor jedem Ohr ist ein weiteres Lockenbündel in einen halbkreisfömigen Bogen gelegt, bevor diese dann zum Nacken hin gestrafft werden.
Da weitere Bildnisse und Statuen mit denselben Charakteristika erhalten sind und zu einer Replikengruppe zusammengefasst werden können, ist es wahrscheinlich, in der Dargestellten ein Mitglied der kaiserlichen Familie zu erkennen. Dafür spricht auch, dass das Berliner Porträt aus dem Kastro von Tigani auf Samos stammen soll, wo eine Statuengalerie u. a. mit Bildnissen des Augustus und der Livia gefunden wurde. Die Haartracht ist abgeleitet von derjenigen der Antonia minor, der Mutter des Kaisers Claudius, und gehört in ihrer typologischen Entwicklung in die tiberische Zeit.
Bisher konnte keines der Bildnisse aus dieser Replikenreihe sicher benannt werden. Einige Wahrscheinlichkeit spricht aber für die 31 n. Chr verstorbene Livilla, die Schwester des Claudius und Tochter der jüngeren Antonia und des Drusus maior. Von ihr wurden noch zu Lebzeiten ihres Bruders postume Bildnisse als Teil von Familiengalerien errichtet. Zu einer solchen könnte das Berliner Porträt gehört haben. Es war als Einsatzkopf gearbeitet und dazu bestimmt, in einen getrennt gefertigten Statuenkörper eingesetzt zu werden.