Die deutsche Nationalversammlung hat gestern das provisorische Grundgesetz des neuen deutschösterreichischen Staates beschlossen. Auf der Grundlage dieses Gesetzes hat sie den Staatsrat gewählt, der nunmehr die Regierungs- und Vollzugsgewalt in Deutschösterreich übernimmt. Der Staatsrat wird unverzüglich die erste deutschösterreichische Regierung ernennen, die die Friedensverhandlungen führen, die Verwaltung der deutschen Gebiete Österreichs und die Befehlsgewalt über die deutschen Truppen übernehmen wird. Damit ist dem einmütigen Willen des deutschen Volkes entsprechend der deutschösterreichische Staat zu lebendiger Wirklichkeit geworden, und dieser Staat wird fortan von freigewählten Vertrauensmännern des deutschen Volkes selbst regiert werden. Die Übernahme der Regierungsgewalt durch die neue Regierung des deutschösterreichischen Volksstaates kann sich nur in ruhe und Ordnung vollziehen. Die Behörden des bisherigen österreichischen Staates leisten der Übernahme der Verwaltung durch die neue Volksregierung keinen Widerstand. Es besteht daher kein Grund, diese Behörden zu bedrohen. Gewalttätigkeiten können die Übernahme und Ausübung der Regierung durch die Vertrauensmänner des deutschen Volkes nicht fördern, nur erschweren. Ebenso ist es unzulässig, gegen Angehörige anderer Nationen Gewalt zu üben; die Regierung Deutschösterreichs wird nationalen Minderheiten im deutschen Gebiete ihren vollen Schutz gewähren. Sie erwartet, dass die nationalen Regierungen der anderen Nationen gleichen Schutz auch den deutschen Minderheiten in slawischen Gebieten gewähren werden. Der Staatsrat fordert das deutsche Volk in Österreich auf, Ruhe und Selbstzucht zu bewahren und alles zu vermeiden was die Übernahme der Regierungsgewalt durch das deutsche Volk und die Herbeiführung des von der deutschen Volksregierung selbst im Einvernehmen mit dem Deutschen Reiche zu schließenden Friedens erschweren könnte. Wien, 31. Oktober 1918 Im Namen des deutschösterreichischen Staatsrates: Dinghofer Hauser Seitz