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›Aphrodite auf der Schildkröte‹

Original oder Marmorkopie nach einem Original aus der Zeit um 430–420 v. Chr.Um 430–420 v. Chr.

Altes Museum, Staatliche Museen zu Berlin

Altes Museum, Staatliche Museen zu Berlin
Berlin, Deutschland

Die Forschungen zu der leicht überlebensgroßen Göttin haben sich seit Jahrzehnten vorrangig mit zwei Fragen be- schäftigt. Die eine Frage zielt auf die Ergänzung der verlore- nen Teile, so auch auf die Stütze, die unter ihrem linken Arm zu ergänzen ist, und damit auf die Deutung der Göttin. Die andere Frage lautet: Ist die Statue, die aus Venedig für Ber- lin erworben wurde, ein griechisches Original aus der Zeit der griechischen Hochklassik, also in unmittelbarer Nach- folge der Parthenongiebel geschaffen, und wenn nicht, ist sie eine zeitgenössische Werkstattwiederholung oder eine spätere, römische Kopie? Leider fehlen der Statue der Kopf – er war gesondert gearbeitet –, der Hals, die linke Schulter, der ganze rechte Arm und der linke Arm vom Ellenbogen an. Abgesehen von wenigen Ergänzungen von Faltenste- gen des Mantels und des linken Knies ist leider auch der linke Fuß mit der Schildkröte modern ergänzt, das einzige heute noch sichtbare Attribut. Erkennbar ist unter dem ab- gebrochenen linken Ellenbogen noch ein Ansatzstück für die Stütze.
Der aufragenden Gestalt mit den kräftig-weiblichen Körperformen, die durch die Gewänder mehr betont als verdeckt werden und so eine deutliche Sinnlichkeit aus- strahlen, wird man eine Deutung als Aphrodite nicht ab- sprechen wollen. Sie ist bekleidet mit einem gegürteten Chiton mit kurzen, geknüpften Scheinärmeln und einem Mantel (Himation), der um den Unterkörper und die Ober- schenkel gezogen ist: Vom linken Arm ausgehend um- spannt er die Hüfte und fällt neben dem aufsetzenden linken Bein herab. Damit bekommt der vorgesetzte Fuß, der auf einer Erhöhung stand, einen kompositorischen Akzent. Dass der Ergänzer mit einer Schildkröte durchaus das Richtige getroffen hat, können antike Quellen bestäti- gen, die berichten, Phidias habe eine Aphrodite Urania für Elis geschaffen, die einen Fuß auf eine Schildkröte setzte (Pausanias 6, 25, 1); eine weitere Aphrodite Urania stand auf dem Kolonos Agoraios in Athen (Pausanias 1, 14, 7). Aus anderen Aphroditedarstellungen mit der Schildkröte (etwa eine Statue in Kyrene oder ein Relief im Vatikan) können wir schließen, dass die Berliner Göttin sich auf eine weibliche Herme lehnte und nicht auf ein archaistisches Idol, wie man zunächst vorgeschlagen hatte; einen indirekten Hinweis dafür gibt uns eine weibliche Herme, die auf der Agora in Athen bei Ausgrabungen gefunden wurde. Solche weib- lichen Hermen können als Anspielung auf die orientalische Aphrodite verstanden werden und damit auf den beson- deren Charakter als Aphrodite Urania. Der Versuch, einen im Theater von Arles gefundenen Kopf mit der Statue in Verbindung zu bringen, scheitert schon aus zeitlichen Gründen.
Die schmalen Hüften, die breiten Schultern und die weit auseinanderstehenden Brüste haben immer wieder zu dem Vergleich mit den sogenannten sitzenden Tauschwes- tern des Parthenon oder einer Figur vom Fries des Erech- theions in Athen (Akropolismuseum) geführt und zu der Frage, ob wir in der venezianischen Göttin eine griechische Originalplastik sehen dürfen. In den Venezianer Sammlun- gen befanden sich in der Tat einige griechische Originale, die aus Griechenland bereits im 17. Jahrhundert mitge- nommen wurden. Vor allem aber ist es neben der erwähn- ten Gesamtanlage der Figur die ausgezeichnete Qualität der erhaltenen Details, insbesondere der Gewandung, die zu der immer wieder neu vermuteten Annahme geführt hat, in der Statue ein Original zu sehen. Doch gerade die deutlich ablesbare Arbeitsweise des Bildhauers, etwa des laufenden Bohrers in den Chitonfalten ihrer linken Seite, lassen erkennen, dass der Statue die Sorgfalt originaler attischer Werke fehlt, wozu auch die verwendeten Anstü- ckungen der Arme, der Stütze und des Kopfs gehören. Es mangelt ihr schließlich an Lebendigkeit und Frische gerade in der erwähnten Gewandbildung, besonders am Himation. Sie dürfte wohl nach einer der in den Quellen erwähnten Aphroditen mit der Schildkröte gearbeitet sein.

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  • Titel: ›Aphrodite auf der Schildkröte‹
  • Ersteller: Original oder Marmorkopie nach einem Original aus der Zeit um 430–420 v. Chr.
  • Datierung: Um 430–420 v. Chr.
  • Ort: Wahrscheinlich aus Attika
  • Abmessungen: h158 cm
  • Typ: Statue
  • Material: Pentelischer Marmor.
  • Sammlung: Antikensammlung, Staatliche Museen zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz
  • Objekterwerb: Im 17. Jh. nach Venedig gebracht; 1892 im Kunsthandel Venedig für Berlin erworben.
  • Inv.-Nr.: Sk 1459
  • ISIL-Nr.: DE-MUS-814319
  • Externer Link: Altes Museum, Staatliche Museen zu Berlin
  • Copyrights: Text: © Verlag Philipp von Zabern / Antikensammlung, Staatliche Museen zu Berlin / Kun. || Photo: © b p k - || Photo Agency / Antikensammlung, Staatliche Museen zu Berlin / Johannes Laurentius
Altes Museum, Staatliche Museen zu Berlin

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