In den großen, an Weihgaben reichen Heiligtümern Griechenlands war es offenbar bis in die Klassik hinein üblich, die altgewordenen Bronzevotive Auseinanderzunehmen und – soweit möglich und sinnvoll – wieder einzuschmelzen. Daher sind uns auch dort, wo besonders viel in Bronze gestiftet wurde, fast nur Bruchstücke erhalten, Teile der großen geometrischen oder archaischen Kessel zum Beispiel. Von manchen Kesseltypen, die kostbar an Schulter, Hals oder oberem Rand mit Aufsatzfiguren geschmückt gewesen sein müssen, können wir uns gar keine genauere Vorstellung machen, da kein Exemplar vollständig oder auch nur zu größeren Teilen erhalten ist. Das gilt besonders für diejenigen Kessel, deren Aufsatzfiguren sich freiplastisch über den Rand erhoben, also auf ihm freistehend »agieren« konnten. Aus Dodona, einem vielbesuchten Zeusheiligtum im Hochland des Epirus, sind besonders gut erhaltene Bronzen bekannt. Ein Krieger, der in weit ausholender Schrittstellung mit der nicht erhaltenen Lanze kämpft, hat die wunderbar gleichmäßige, alle Feinheiten der Oberfläche schützende Patina, für die die Dodona-Bronzen berühmt geworden sind. Er steht auf einer flachen Standplatte, deren leichte Kurvatur kaum anders als auf einem runden Gerät von etwa 50 cm Durchmesser unterzubringen ist, einem weit offenen, bauchigen Kessel also vielleicht. Beim Herumgehen konnte man dann den Krieger auch von vorne betrachten und den in der Angriffsrichtung angehobenen sogenannten böotischen, an zwei Stellen eingezogenen, geschuppten Schild sehen sowie den vom ›korinthischen‹ Helm fest umschlossenen Kopf mit dem feinen Mund und den großen Augen. Die linke Seite des Kriegers war allerdings nicht auf Ansicht berechnet: Haare und Gewand sind dort nur summarisch gebildet und viele der die Ränder und Kanten begleitenden Gravuren der Vorderseite unterlassen. Zweifellos hatte der angreifende Krieger einen Gegner, vielleicht war einer der aus den alten Sagen bekannten Heldenzweikämpfe dargestellt. In übernatürlichem Wetteifer macht der Brustpanzer die Anspannung des Atemholensmit, das die Kraft des Stehens und Zustoßens erst in Bewegung umsetzt. Dies und die Art, wie der Krieger steht, mit weit nach hinten gestemmtem, seitwärts gedrehtem und in der Ferse angehobenem rechten Fuß, lassen mehr noch als das sorgsam gefaltete Gewand die Zeit im letzten Jahrzehnt des 6. Jahrhunderts v. Chr. erkennen, in der dasBronzewerk entstanden ist. Damals waren der korinthische Helm mit der Kalottenkante und die Beinschienen mit dem natürlichen Knieumriss durchaus zeitgenössische Waffen. Hätte man mehr von den übrigen Figuren und dem Kessel, den sie einst zierten, wäre auch die Frage der Zuweisung zu einer Werkstatt nicht so unentschieden, wie sie mehr als hundert Jahre seit der Erwerbung des Stückes noch immer ist. Kessel der anzunehmenden Größe wurden weit über Land und Wasser transportiert, doch ist die Statuette auch mit einer nahe bei Dodona in der korinthischen Küstenstadt Ambrakia anzunehmenden Bronzewerkstatt verbunden worden.
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