Das Innenbild der Trinkschale erlaubt einen Blick ins Frauengemach: Links sitzt eine Frau auf einem Stuhl mit geschwungener Lehne, dem Klismos. Sie ist mit einem Ärmelchiton und einem Mantel bekleidet. Die Haare werden von einer Haube zusammengefasst. Sie hat ihr rechtes Bein auf einen Bock gelegt und die Gewänder bis über das Knie zurückgeschoben. Offenbar lässt sie Wolle aus dem Korb zu ihren Füßen durch die Finger über das Bein gleiten und bereitet sie so für das Spinnen vor. Bisweilen wurde für diese Tätigkeit auch ein Beinschutz (Epinetron) verwendet, den man über Knie und Oberschenkel legte. Das hinter der Sitzenden stehende Mädchen, ebenfalls mit Chiton, Mantel und Haube bekleidet, lüpft mit der Rechten anmutig ihren Mantel, eine Geste, die oft bei der Liebesgöttin Aphrodite und in Verbindung mit Hochzeitsszenen vorkommt. Am rechten Bildrand sind ein Bett mit Matratze und darauf ein weiterer Wollkorb sichtbar.
Die Herstellung von Textilien von der Wollbereitung über das Weben bis zum fertigen Kleidungsstück gehörte zu den wichtigsten Aufgaben der griechischen Hausfrau. Kunstfertigkeit auf diesem Gebiet stand unter dem besonderen Schutz der jungfräulichen Göttin Athena, die selbst in allen handwerklichen Tätigkeiten bewandert war. Insofern waren handwerkliche Begabung und Fleiß wichtige Eigenschaften eines Mädchens, die seine Attraktivität für den Mann steigerten und eine Hochzeit mit ihr erstrebenswert machten. Während die Frauen für Hauswirtschaft und alle Belange der Familie und des Personals im Haus zuständig waren, vertraten die Männer die Familie nach außen. Von daher passt es gut, dass auf den Außenseiten der Schale ein Komos, ein Umzug der Männer mit Trinkgefäßen und Musik, dargestellt ist, wie er nach einem Trinkgelage stattfand.
Von Göttern und Menschen - Bilder auf griechischen Vasen (2010) Nr. 34 (A. Schwarzmaier).
You are all set!
Your first Culture Weekly will arrive this week.