Das Glasgemälde zeigt Maria kniend in der Bildmitte, beide Hände in einem Gestus des freudigen Erstaunens vor die Brust gehoben. Rechts vor ihr liegt auf einer ausgebreiteten Bahn des stoffreichen blauen Marienmantels der gewickelte Jesusknabe. Im Hintergrund des Stalls erscheinen Ochs und Esel, in der hügeligen Landschaft ein heraneilender Hirte mit seiner Schafherde und am oberen Bildrand eine Gruppe von drei Engeln. Durch eine Säule von dieser Szene getrennt ist im linken Bildteil Ziehvater Joseph dargestellt, der mit einem Löffel in einem im Feuer stehenden Kochtopf rührt. Für einzelne Motive wie die Faltenbildung des Marienmantels oder das Kopftuch der Muttergottes hat der Glasmaler Details aus Kupferstichen Martin Schongauers (L. 4, 5) zum Vorbild genommen. Die Rundscheibe stammt aus einem insgesamt neun Szenen umfassenden Zyklus von Darstellungen aus dem Leben Jesu, der wohl von dem Straßburger Glasmaler Peter Hemmel zwischen 1475 und 1480 für die südlichen Oberfenster im großen Ratssaal des Ulmer Rathauses geschaffen wurde. Nach dem Ausbau am Ursprungsort befanden sie sich seit 1805 im Rittersaal des Schlosses Erbach im Odenwald. 1927 erwarben die Staatlichen Museen zu Berlin die acht jetzt im Kunstgewerbemuseum bewahrten Scheiben, eine weitere gelangte in das Hessische Landesmuseum Darmstadt. Die Auswahl der neun Szenen aus dem Leben Jesu für den Zyklus im Ulmer Rathaussaal ist durchaus ungewöhnlich. Für die drei Fenster der Südseite wurden drei Themenkreise mit je drei Darstellungen ausgeführt: die Menschwerdung des Gottessohnes, seine karitativen Wunder und die Bezeugung seiner Göttlichkeit.