Anfang 1866 wurde Claude Monet klar, dass er sein großformatiges Gemälde Frühstück im Freien nicht rechtzeitig für die Ausstellung im Pariser Salon fertigstellen konnte. Daraufhin malte er in kurzer Zeit seine Freundin und spätere Frau Camille in dem repräsentativen Ganzfigurenporträt – ein Tabubruch, da dieser Bildnistypus eigentlich Königen und Adeligen vorbehalten war. Camilles Pose und Garderobe sind von der zeitgenössischen Modeillustration und den damaligen Carte-de-visite-Fotografien inspiriert. Monet zeigt seine Geliebte von hinten, mit seitlich gesenktem Blick, in einem gestreiften Seidenkleid und pelzverbrämter Samtjacke vor einem Vorhang stehend. Sie ist weniger in ihrer Individualität beschrieben, sondern verkörpert den damaligen Typus der eleganten Pariserin. Das Bild wurde in einer Rezension von Emile Zola, dem Monet bis dahin noch unbekannt war, für seine frische Malweise überschwenglich gelobt. Auch fand es auf dem Salon großen Anklang, auf dem Monet danach nie wieder reüssieren sollte. Da einige Zeitgenossen das Bild für eine Arbeit des damals skandalumwitterten Edouard Manet hielten, hieß es in einer Karikatur: „Monet oder Manet? – Aber es ist Manet, dem wir diesen Monet verdanken; bravo Monet, danke Manet!“