Die auch aus heutiger Sicht überraschend modern anmutende Serie der Kerkerdarstellungen ist sicherlich Piranesis berühmteste Bilderfolge. Die Ausführung dieser Blätter, bei der der Künstler offenbar die gesamte Bandbreite der Radiertechnik austestete, ist von besonderer Kühnheit und Spontaneität, die in kaum einem anderen Werk dieser Zeit zu finden ist. Auf dem Titelblatt der Bilderfolge werden die Carceri als kapriziöse Erfindungen beschrieben. Die architektonischen Strukturen sind von Überresten antiker Bauwerken inspiriert und wohl eher von Bühnenarchitekturen als von wirklichen Gefängnisbauten abgeleitet. Ihre enorme, ja übermächtige und erdrückende Größe wird unterstrichen durch einen niedrigen Betrachterstandpunkt und winzige menschliche Staffagefiguren. Dennoch: Architektonische Irritation und Unmöglichkeit verweisen über das virtuose graphische Spiel der Linien und Flächen, der Räume und Perspektiven hinaus auf reale Schrecken des Kerkers, auf Folter und Qual.